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Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)

Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)

Titel: Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Peterson
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sie sich auf den Rasen. Das Treffen hatte von Anfang an einen lockeren Charakter, eher wie ein Picknick als eine Diskussion über nationale Sicherheitsbelange.
    »Ist das okay hier?«, fragte Fitzgerald.
    »Vollkommen«, sagte Nathan. »Sie wissen, warum wir hier sind?«
    »Ja.«
    »Ich möchte Ihnen noch einmal danken, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für uns nehmen.«
    »Ich hoffe, es ist Ihnen klar, dass ich mich damit aus dem Fenster lehne.«
    »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Offizier des Marine Corps, dass dieses Gespräch unter uns bleibt. Uns geht es vor allem darum, Ernie Bridgestone und seinen Bruder zu finden, und zwar so schnell wie möglich.«
    »Ich weiß nicht genau, wie ich Ihnen dabei helfen kann.«
    »Es gibt da ein paar Dinge, die mich weiterbringen könnten. Zunächst einmal brauche ich ein Gefühl dafür, wie er tickt.«
    »Ich habe Hunderte von Patienten betreut, aber er leidet unter einer Persönlichkeitsstörung, die nicht allzu oft vorkommt.
    Nathan wartete, während der Arzt seine Gedanken ordnete.
    »Ich würde ihn als einen Borderliner ohne Gefühlsregungen bezeichnen.«
    »Was genau meinen Sie damit?«, fragte Henning.
    »Ich werde versuchen, es Ihnen anhand eines Beispiels zu erklären. Nehmen wir eine Mutter mit Kind, sagen wir, einem kleinen Jungen. Als dieser Junge älter wird, merkt die Mutter irgendwann, dass er nicht wie andere Jungs ist. Er lächelt oder lacht nicht, weint nicht und zeigt auch sonst keinerlei Emotionen. Andere Kinder mobben ihn deswegen. Sie denken, er sei dumm, weil er nicht lacht, wenn sie es tun. Er reagiert nicht auf die Hänseleien, worauf ihn die anderen Kinder noch schlimmer mobben. Irgendwann nimmt die Mutter den Jungen beiseite und sagt ihm, er solle doch auch lachen, wenn die anderen es tun. Sie bringt ihm bei, wie man eine lustige Grimasse schneidet und ha-ha-ha-Laute von sich gibt.«
    »Das ist ja echt abartig«, sagte Henning.
    »Da haben Sie recht, Special Agent. So wie manche Kinder mit einem Geburtsfehler zur Welt kommen, der sie körperlich beeinträchtigt, so werden andere mit emotionalen Defekten geboren. Sie zeigen keine Gefühle. Deswegen betrachte ich Ernie als einen Borderliner. Ich vermute, dass seine Gefühlsregungen unterdrücktsind, aber nicht völlig fehlen. Allerdings kann ich diese Diagnose nicht mit hundertprozentiger Sicherheit stellen.«
    »Kann man davon ausgehen, dass er keine Schuldgefühle hat?«, fragte Nathan.
    »Absolut. Bereits als Kind dürfte es ihm schwergefallen sein, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Während die meisten von uns instinktiv wissen, dass zum Beispiel Tierquälerei nicht richtig ist, fehlt bei ihm diese Erkenntnis, oder genauer gesagt, sie funktioniert nicht. Der Sicherheitsmechanismus in seinem Gehirn wird entweder umgangen oder ist gar nicht vorhanden. Wir müssen also davon ausgehen, dass er keinerlei Unrechtsbewusstsein hat, was den Bombenanschlag in Sacramento angeht.«
    Henning erstarrte, sichtlich geschockt.
    »Was ist mit seinem Bruder Leonard?«, fragte Nathan. »Welche Gefühle hegt Ernie ihm gegenüber?«
    »Loyalität kann man nicht so einfach als Emotion definieren. Es ist eigentlich keine Gefühlsregung an sich. Ich sage das nur, weil Ernie äußerst loyal gegenüber seinem älteren Bruder ist. Er hat oft über Leonard geredet.«
    »Worüber genau?«, fragte Nathan.
    »Hauptsächlich über ihre gemeinsame Kindheit. Der Vater war gewalttätig, ziemlich schlimm sogar, und die Mutter konnte die Kinder nicht vor ihm schützen. Psychologen gehen davon aus, dass das erste Lebensjahr eines Kindes vielleicht das wichtigste ist. Es würde mich nicht wundern, wenn Ernie auch über längere Zeit hinweg vernachlässigt wurde. Stellen Sie sich mal folgende Situation vor: Ein Kind weint, weil es Hunger hat oder sich einsam fühlt, aber es ist niemand da, der ihm etwas zu essen gibt oder es tröstet. Mit anderen Worten, niemand gibt dem Kind ein Gefühl von Liebe und Geborgenheit. Stellen Sie sich das nur vor … ein Kind, das im Dunkeln weint, weil es stunden- oder tagelang alleingelassen wird.« Fitzgerald schüttelte den Kopf. »Eine Grausamkeit, die die Vorstellungskraft überschreitet. Ich glaube wirklich, dass Ernie das Produkt eines solchen Elternhauses ist. Leonard ist ein paar Jahre älter, also hat er sich vielleicht in Abwesenheit der Mutter um seinen kleinenBruder gekümmert. Das würde den starken Familiensinn erklären, den Ernie gegenüber seinem großen Bruder

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