Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
die diversen Vernehmungen und Befragungen durch und trug sie im Anschluss in ein Analyseprogramm ein, mit dem sich eine genaue Zeitlinie aus den unterschiedlichen Erklärungen erstellen ließ. Anschließend nahm sie die Involvierten noch einmal genauer unter die Lupe. Steffen, Anita, Mark, die Nachbarn Egon und Lillian Kjeldsen. Sie dachte an Bo, der vor ihrem inneren Auge auftauchte und wieder verschwand. Da war irgendetwas, was sie störte, etwas, das er ihnen nicht erzählt hatte, doch das Gefühl war schwach und nicht fassbar.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, überlegte kurz, wo Reza wohl sein mochte, und stürzte sich erneut in die Arbeit. Die nächsten Stunden arbeitete sie konzentriert. Sie war ganz in die eingegangenen Hinweise aus der Bevölkerung vertieft, als die Tür aufging. Gundersen füllte die Türöffnung aus, und sein rotwangiges Gesicht strahlte.
»Wir haben eine Zeugin.« Er trommelte dramatisch mit den Fingern gegen den Türrahmen, und Rebekka blickte interessiert zu ihm hoch.
»Glaubwürdig?«
»Es sieht so aus. Ich habe nur kurz am Telefon mit ihr gesprochen. Mittelalt, entgegenkommend und so weiter. Sie war mit ihrem Enkelkind und ihrem Mann unterwegs. Ich habe mir gedacht, dass ihr oder du sie gleich befragen könnt? Ich muss zu einem Strategietreffen der Direktion.«
Gundersen verdrehte die Augen, als wäre das Treffen die reinste Tortur. Rebekka zweifelte jedoch keinen Moment daran, dass er mehr als jeder andere in der Abteilung diese Treffen liebte, das Gefühl, wichtig zu sein. Das Gerücht ging um, dass der Chef der Mordkommission, Henrik Brodersen, sich mit Pensionsplänen trug, und es bestand kein Zweifel, dass der Vizechef auf den attraktiven Posten aus war und alles tun würde, um an höchster Stelle gut dazustehen.
Gundersen trat ganz ins Zimmer, während er mit einem Ausdruck winkte.
»Es handelt sich, wie gesagt, um ein Ehepaar mittleren Alters, das mit seinem kleinen Enkelkind unterwegs war. Die Frau glaubt gesehen zu haben, wie ein Mann ein Mädchen, auf das unsere Beschreibung von Sofie Kyhn Larsen passt, zu einem Auto getragen hat. Die beiden sind ihr aufgefallen, weil sie es seltsam fand, dass er ein so großes Mädchen getragen hat.«
Rebekkas Magen krampfte. Falls das wirklich Sofie gewesen war, dann war die Chance, dass die Geschichte gut ausgehen würde, jetzt wesentlich geringer. Sie nickte nachdenklich und ließ sich die Kontaktdaten der Frau geben. Gundersen verschwand schnell wieder aus ihrem Büro, und wenige Sekunden später tauchte Reza auf, in eine Parfümwolke gehüllt. Es war Rebekka ein Rätsel, warum ihr Kollege immer in Aftershave baden musste. Der Duft verursachte ihr Übelkeit, aber sie schaffte es einfach nicht, etwas zu sagen. So gut kannten sie sich nun auch wieder nicht.
Rebekka klärte ihn schnell über die Zeugin auf. Reza erzählte, dass er gerade Anita Kyhn über den Fund von Sofies Handy unterrichtet hatte, woraufhin diese, wie erwartet, völlig außer sich gewesen war. Noch während er mit ihr in der Küche gesessen hatte, war Steffen nach Hause gekommen, und Reza hatte ihn gebeten, später ins Präsidium zu fahren.
»Du kannst mir glauben, dass er ganz schön erschrocken ausgesehen hat, als ich ihn gebeten habe, herzukommen.« Es fiel Reza sichtlich schwer, ein Grinsen zu unterdrücken.
»Hm.« Rebekka hörte nur mit halbem Ohr zu, sie war wieder in ihre eigenen Gedanken versunken. Sie konnte das Bild von Sofie, die von einem Mann fortgetragen wurde, nur schwer aus ihren Gedanken verdrängen. In ihrem Eifer, mehr zu erfahren, konnte sie es kaum erwarten, dass die Zeugin auftauchte.
»Okay, ich muss noch mal weg«, meinte Reza. »Ich bin natürlich heute Nachmittag zurück, wenn Steffen Olsen kommt.«
»Du gehst wieder?« Rebekka blickte fragend zu ihm hoch. Reza nickte. Er stand vor dem fleckigen Spiegel in der Ecke des Büros und kämmte sich die Haare mit der Haarbürste, die immer in seiner obersten Schreibtischschublade lag. Rebekka musste lächeln. Sie kannte niemanden, der mehr auf seine Frisur achtete als Reza. Er legte die Bürste schnell in die Schublade zurück und fügte hinzu: »Simonsen wird mich vertreten. Es tut mir leid, aber sonst hatte niemand Zeit.«
Und schon war er draußen. Rebekka runzelte die Stirn. Was zum Teufel war mit ihm los? Und ausgerechnet Simonsen als Stellvertreter. Sie seufzte tief, während sie sich erhob, um Kaffee aufzusetzen. Simonsen war der jüngste Ermittler in ihrer Abteilung
Weitere Kostenlose Bücher