Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Spielplatz. Hjalte ist unser Enkel. Wegen ihm waren wir überhaupt auf dem Naturspielplatz. Ich bin nur zum Auto gegangen, um Hjaltes Schnuller zu holen. Er braucht ihn nicht mehr so oft, aber er war am Klettergerüst gefallen und völlig untröstlich.«
Die Frau holte Luft und fuhr unverdrossen fort: »Ich habe Kurt von dem Mann und dem Mädchen erzählt, als ich wieder bei ihm und Hjalte war, weil der Vorfall Eindruck auf mich gemacht hatte.«
Ihre Augen wurden feucht, und sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Der Mann drückte ihr vorsichtig den Arm. Sie ließ es einige Sekunden zu, bevor sie sich seinem Griff entwand. Dann gingen sie langsam zurück zum Auto.
Rebekka und Simonsen warfen sich einen triumphierenden Blick zu. Ihr kleiner Ausflug mit der Zeugin hatte Früchte getragen. Sie wussten jetzt, dass sie nach einem erwachsenen Mann mit sehr dunklem, möglicherweise schwarzem, kurzem Haar suchten, der ein dunkles Auto mit vier Türen fuhr. Rebekka warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, es war fast vier Uhr nachmittags, und Sofie Kyhn Larsen war inzwischen seit über vierundzwanzig Stunden verschwunden.
Sie saßen im Auto und wollten gerade zurück ins Präsidium fahren, als die Frau plötzlich rief: »Ja, jetzt erinnere ich mich. Am Rock des Mädchens war ein rosanes Handy befestigt, von dem ein paar bunte kleine Bären herabhingen.«
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»Meiner Meinung nach spricht immer mehr dafür, dass Sofies Vater, Allan Larsen, seine Tochter entführt hat.« Gundersen warf Rebekka einen vielsagenden Blick zu, die in seinem zwar kleinen, aber von ihm allein genutzten Büro stand, um über die Geschehnisse des Tages zu berichten. Reza bereitete in der Zwischenzeit alles für die Vernehmung von Steffen vor.
»Allan Larsen hat schwarze oder zumindest sehr dunkle Haare.« Gundersen schob ihr über den Tisch ein vergrößertes Foto aus der Verbrecherkartei zu. Rebekka griff danach und sah es sich genau an. Allan Larsen hatte dunkle Haare, das war richtig, schwarze, halblange Bartstoppeln und dunkle Augen, und Rebekka fragte sich einen Moment, wie es ihm gelungen war, ein so blondes Mädchen wie Sofie zu zeugen.
»Er könnte es sein«, stimmte sie Gundersen zu. »Was hat er auf dem Kerbholz?«
»Ach, Kleinigkeiten. Ruhestörung, Vandalismus, gelegentlicher Drogenverkauf und diverse Ladendiebstähle. So ist das eben mit Junkies. Aber von wirklichen Gewaltdelikten kann man nicht sprechen.«
Gundersen lehnte sich dynamisch in seinem Bürostuhl zurück, der knarrend unter seinem Gewicht nachgab, und platzierte seine schweren Beine mit einem Seufzer auf dem Schreibtisch. Sie sprachen kurz die Aufgaben für den kommenden Tag durch. Es waren mehrere Hundert Hinweise eingegangen – hauptsächlich von Leuten, die zur gleichen Zeit wie Sofie und ihre Familie in dem Park gewesen waren, aber auch von Menschen, die meinten, irgendwelche Personen zu kennen, die etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben könnten.
Auf dem Weg zurück in ihr Büro rief Rebekka sich das Gespräch mit der Zeugin in Erinnerung. Die Frau hatte etwas Interessantes zu dem Mann gesagt, den sie gesehen hatte, etwas, das Rebekka stutzig gemacht hatte, doch sie kam nicht darauf, was da verschwommen in ihrem Bewusstsein lagerte, und hoffte, dass es ihr bald einfallen würde.
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Steffen Olsen saß bereits in ihrem Büro, als Rebekka zurückkam. Auf dem Weg durch die dunklen, hallenden Gänge des Präsidiums hatte sie über Gundersens Vermutung nachgedacht, dass Sofies biologischer Vater, Allan Larsen, hinter der Entführung stehen könnte. Gundersens Annahme war logisch, und wie alle Ermittler wusste auch sie, dass für die meisten Fälle von Kindesentführung, Kindesmissbrauch und Mord an Kindern ein Elternteil verantwortlich war. Je jünger das Kind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern involviert waren. Trotzdem konnte sie nicht umhin, über andere Möglichkeiten nachzudenken.
Allan Larsen war ganz zweifellos ein unangenehmer Typ, doch sie hatte Schwierigkeiten, ihn sich als Entführer vorzustellen. Konnte ein Junkie seine knapp dreißig Kilo schwere Tochter zu seinem Auto tragen, und besaß er überhaupt ein Auto? Dem Verkehrsregister zufolge hatte Allan Larsen nur einmal in den Achtzigern für kurze Zeit ein Auto gehabt. Höchstwahrscheinlich hatte er nicht einmal genug Geld, um sich eins zu mieten – denn wenn er wirklich so war, wie die Familie ihn beschrieb, würde er sein Geld eher für Alkohol
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