Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
gefunden wird und die Ermittlung deshalb nicht abgeschlossen werden kann. Wie im Fall Madeleine McCann.« Ryan sah sie ernst an. »Das erste ermordete Kind hat mich auch stark berührt. Die Ermittlung hat mich nicht losgelassen, ich habe Tag und Nacht daran gedacht, und mein einziger Wunsch war der, den Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen.«
Ryan starrte einen Augenblick gedankenverloren vor sich hin, dann leuchtete sein Gesicht auf. »Und es ist mir geglückt.« Er lächelte breit, und Rebekka ließ sich davon anstecken.
»Tatsächlich? Erzähl mir endlich was Positives. Was ist passiert?«
»Ja, was ist passiert? Das Mädchen hieß Arlette Fischer. Sie wohnte in einer der wenigen schönen Ecken von Harlan, und davon gibt es nicht viele, das kann ich dir sagen. Eines Tages hat sie für ihre Mutter eine Besorgung gemacht, von der sie nicht mehr nach Hause gekommen ist. Der klassische Mordfall. Ein paar Tage später wurde sie in einem Waldgebiet am Rand der Stadt gefunden, erwürgt. Ich war gerade frisch von der Polizeischule gekommen, noch recht grün mit anderen Worten, und brannte darauf zu beweisen, dass ich etwas taugte. Der Mord war das Thema in den Medien, wie immer, wenn ein Kind ermordet wird. In dem Fall handelte es sich zudem noch um ein entzückendes weißes Mädchen aus einer wohlhabenden Familie. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet, und ich habe mich immer wieder an die Familie gewandt, habe intensiv die Familienverhältnisse durchforstet und hatte schließlich einen Schwarzen im Visier, Otis Jackson, der ganz in der Nähe der Familie wohnte. Mir war Otis Jackson bereits durch verschiedene kriminelle Delikte bekannt, Kleindiebstähle, Brandstiftung, Tiermisshandlung und so weiter. Man könnte sagen, dass Otis eine tickende Bombe war, die nur darauf wartete hochzugehen, was ja auch passiert ist, als er Arlette Fischer umgebracht hat. Nun gut, ich habe meinem Chef von meinem Verdacht erzählt, der ihn zunächst abgetan hat. Es gab keine konkreten Beweise, keine Zeugen, aber ich ließ nicht locker, ich biss mich fest. Ich habe ihm mehrere Tage zugesetzt, um einen Durchsuchungsbeschluss für Otis’ Haus zu bekommen, und endlich hat der Staatsanwalt zugestimmt. Wir haben Otis’ Haus durchsucht, und was haben wir gefunden? Ihren Slip und ein Büschel ausgerissener Haare. Versteckt unter ein paar losen Brettern in Otis’ Keller.«
»Good work. Wurde Otis für den Mord verurteilt?«
Ryan lächelte breit. »Und ob er verurteilt wurde. Das kannst du mir glauben. Er wurde gebraten.«
»Gebraten?«
»Er kam auf den Stuhl, den elektrischen.«
»Und du wurdest für deine Beharrlichkeit belohnt?«
»Allerdings. Ich hatte fast so etwas wie einen Heldenstatus. Im Monat darauf wurde ich zum Vizesheriff ernannt. Ich habe den Job einem meiner Kollegen sozusagen vor der Nase weggeschnappt, einem Scheißkerl, der sich in dem Glauben gewiegt hatte, dass der Job ihm gehörte. Ich war noch Monate danach high. Der Fall hat meiner Karriere einen enormen Auftrieb gegeben.«
Rebekka nickte nachdenklich. Ihre Gedanken kreisten wieder um die Frage, wer Brodersens Nachfolger werden würde, wenn der Thron neu besetzt wurde. Diese Ermittlung konnte auch große Auswirkungen auf ihre Zukunft haben. Wenn sie die Aufgabe mit Bravour löste.
—
Nach dem Ausflug mit Ryan war Rebekka wieder optimistischer. Der laue Sommerabend hatte die Leute in die Cafés gelockt, und als sie durch die Østerbrogade Richtung Stadt fuhr, kam ihr die Idee, spontan bei Dorte vorbeizuschauen, die in einem kleinen Genossenschaftshaus in einer Seitenstraße der Østerbrogade wohnte.
Dorte nahm sie zur Begrüßung begeistert in den Arm. Sie war keineswegs auf dem Weg ins Bett, sondern hatte kinderfrei und genoss die Stille in dem winzigen Garten, der zu dem Haus gehörte, bei einer Flasche Weißwein. Rebekka lächelte, während sie die Decke entgegennahm, die Dorte ihr reichte. Auf ihre Freundin Dorte konnte sie immer zählen. Sie nahm Anteil an ihrem Leben und war großzügig.
Dorte drückte ihr ein Weinglas in die Hand, doch Rebekka lehnte ab. Sie hatte einen Fall auf dem Schreibtisch, der früh am nächsten Morgen auf sie wartete. Die Freundin nickte verständnisvoll.
»Ich lese einfach nichts mehr über den Fall, Bekka, und das hat nichts damit zu tun, dass ich mich nicht für deine Arbeit interessieren würde, denn das tue ich. Aber es tut mir einfach nicht gut, so viel von der kleinen Sofie zu hören. Ich würde sterben, wenn Alma
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