Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
spurlos verschwunden wäre – oder Anton.«
Dorte schauderte. Sie saßen in Decken gehüllt nebeneinander und starrten zu den Häusern der Siedlung Brumleby hinüber, die an den Garten grenzte.
»Wir sind total frustriert, das kannst du mir glauben. Es gibt einfach keine Spur von ihr. Absolut nichts.«
Sie wechselten das Thema. Dorte verging fast vor Neugier, mehr über die Trennung von Michael zu erfahren, und Rebekka erstattete ausführlich Bericht.
»Ich kann es gar nicht glauben, Bekka – ich bin wirklich schockiert. Ich habe euer Verhältnis für stabiler gehalten, ich meine … ihr wart doch ein ganzes Jahr zusammen, oder? Ihr passt so gut zueinander.«
»Ich habe dir nicht alles erzählt.« Rebekka zögerte, spielte an einer der Deckenfransen herum.
»Was hast du mir nicht erzählt? Sag mir, was passiert ist.«
»Ich habe Michael betrogen …«
»Das ist nicht wahr!« Dorte hüpfte fast von ihrem Platz hoch. »Mit wem?«, fragte sie atemlos, als sie sich kurz darauf wieder auf ihrem Stuhl zurücklehnte.
»Mit einem Kollegen. Einem Schweden. Er heißt Niclas Lundell. Wir haben in dieser Vergewaltigungssache zusammengearbeitet …«
»Ich kann mich erinnern, dass du ihn erwähnt hast. Aber warum hast du nicht gesagt, dass da was lief?«
»Weil ich keine Ahnung hatte«, antwortete Rebekka und war froh, dass die zunehmende Dunkelheit ihre Lüge verbarg. Sie hatte sich von dem Augenblick an zu Niclas hingezogen gefühlt, in dem er zum ersten Mal ihr Büro betreten hatte.
»Du hast Michael doch nichts davon erzählt, oder?«
»Natürlich nicht. Er hat gemerkt, dass ich irgendwie angespannt war, und er hatte sich so darauf gefreut, mich zu sehen. Er ist unangemeldet aufgetaucht, wollte mir eine Freude machen, und ich habe mich einfach nur seltsam verhalten, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Kurz nachdem er gekommen war, hat Brodersen angerufen und von dem verschwundenen Mädchen erzählt, und da haben Michael und ich Schluss gemacht – oder wie man das nennen soll.«
»Ihr habt seitdem nicht miteinander gesprochen?«
Rebekka schüttelte den Kopf.
»Und was ist mit Niclas?«
Rebekka spürte Dortes neugierigen Blick auf sich ruhen und musste lächeln. Ja, was war mit Niclas? Sie hatten Sex gehabt, überraschend und wunderbar, als er frühmorgens bei ihr angeklingelt hatte, um sich von ihr zu verabschieden. Anschließend war er wieder nach Stockholm verschwunden. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, hatte sich auch selbst nicht bei ihm gemeldet, doch es verging kein Tag, an dem sie nicht an ihn dachte und sich sein Bild, wie er groß und nackt vor ihr gestanden hatte, in Erinnerung rief, ein Bild, das ihr noch immer Gänsehaut am ganzen Körper verursachte.
»Da ist nichts mit Niclas«, antwortete sie vage.
»Denkst du an ihn?«
»Hmm, hin und wieder«, gab Rebekka zu und zog die Decke enger um sich.
»Du denkst nonstop an ihn. Gib es zu, Bekka.«
Dorte versetzte ihr einen gutmütigen Hieb.
Rebekka lachte. »Okay. Du hast recht. Ich denke oft an ihn …«
»Ruf ihn an. Es kann doch sein, dass er auch an dich denkt. Du musst ihn anrufen. Verdammt, Bekka, das ist so typisch für dich, es nicht zu tun. Wir anderen hätten ihn längst mit Anrufen bombardiert, und ich wäre sicher nach Stockholm geflogen und hätte vor dem Präsidium auf ihn gewartet.« Dorte schüttelte den Kopf und bekam einen heftigen Lachanfall, der ansteckend wirkte.
»Du hast recht. Das Problem mit mir ist, dass ich mich so etwas nicht traue. Ich nehme es zwar mit einem Mörder auf, aber ich wage nicht, einen Mann anzurufen, in den ich mich verliebt habe.«
Irgendwo aus der Nähe erklangen weiche Jazzrhythmen. Rebekka schloss die Augen.
»Du rufst diesen Niclas an, Bekka. Das ist ein Befehl. Und was Michael angeht – vermisst du ihn?«
Rebekka zuckte mit den Schultern, kuschelte sich tiefer in ihre Decke, die angenehm nach Dortes Parfüm duftete.
»Ein wenig. Es ist irgendwie leer ohne ihn, aber ich weiß nicht, ob ich ihn vermisse oder einfach nur irgendjemanden. Ich bin jetzt sechsunddreißig und weiß noch immer nicht, wie Beziehung geht.«
»Wer weiß das schon? Sieh mich an. Hans-David und ich wissen das kein bisschen.«
»Ihr habt doch Kinder und ein Haus …«
Dorte schnitt eine Grimasse. »An der Oberfläche sehen viele Beziehungen perfekt aus. Aber sieh dich mal gründlich um. Was glaubst du, wie viele Frauen, die hier in Østerbro mit einem Kinderwagen herumspazieren, während zu Hause die
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