Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
träume seit Jahren von dieser Führungsposition, und jetzt ist der Traum endlich in erreichbare Nähe gerückt.«
Rebekka hörte Ryan zu, während ihre Gedanken einen Augenblick um Rezas Worte kreisten, inwieweit sie sich um die Position als Leitung der Mordkommission bewerben sollte. Dann schlug sie sich den Gedanken aus dem Kopf. Die Vorstellung, dass sie in dem Rennen eine Chance haben sollte, war mehr als absurd. Gundersen hatte trotz allem sehr viel mehr Erfahrung als sie.
»Wie weit seid ihr, was das verschwundene Mädchen angeht?«
Rebekka umriss kurz die Ermittlungen der letzten Tage. Ryan hörte ihr aufmerksam zu.
»Ihr habt mit anderen Worten nichts in der Hand?«
»Genau, wir sind alle müde und frustriert und befürchten das Schlimmste für Sofie.«
»Dazu habt ihr auch allen Grund.« Ryan öffnete ein weiteres Miller und bot es ihr an, doch sie schüttelte den Kopf. Sie musste noch mit dem Auto nach Hause fahren.
»Mit großer Wahrscheinlichkeit lebt das Mädchen nicht mehr.«
Rebekka begegnete Ryans ernstem Blick und nickte widerwillig. Das wussten sie sehr wohl, und trotzdem klammerten sie sich an die Hoffnung, das Kind lebend zu finden, nach Hause zu seiner Familie zu bringen, zurück in ein einigermaßen normales Leben.
»Was habt ihr? Umreiß mir doch kurz die familiäre Situation des Mädchens.«
»Einen aggressiven Stiefvater, den wir verdächtigen, dem Mädchen im letzten Frühjahr den Arm gebrochen zu haben, aber wir haben keine Beweise. Der Bruder des Stiefvaters ist ein Drogenwrack. Er hatte täglich SMS - oder Telefonkontakt zu Sofie, und sie hat ihn regelmäßig besucht, um für ihn Besorgungen zu machen. Von diesen Besuchen haben die Eltern wohlgemerkt nichts gewusst. Eine depressive Mutter, die ich noch nicht richtig einschätzen kann, einen dysfunktionalen großen Bruder, der Hasch raucht, und einen biologischen Vater, der Alkoholiker und drogensüchtig ist und Sofies Mutter wiederholt damit gedroht hat, dass auch kein anderer das Mädchen haben soll, wenn er es nicht öfter sehen darf.«
Ryan pfiff laut. »Eine explosive Mischung, könnte man sagen.«
»Und wie. Unser Hauptinteresse richtet sich auf den Stiefvater und seinen Bruder, also den Stiefonkel. Letzterer hat für den Tag kein Alibi, während Ersterer ja eine Stunde bevor Sofies Verschwinden festgestellt wurde, vom Spielplatz verschwunden ist. Unter massivem Druck hat er mittlerweile zugegeben, dass er bei seiner Geliebten war.«
Ryan lachte kurz auf. »Das sagen sie doch immer.«
»Genau. Die Geliebte hat zwar sein Alibi bestätigt, aber trotzdem …«
»Beide Männer hatten mit anderen Worten die Möglichkeit, das Mädchen zu entführen. Was könnten sie für ein Motiv haben?«
»Steffen, der Stiefvater, und Sofie hatten kein gutes Verhältnis zueinander. Eifersucht, Missbrauch vielleicht, ich weiß es nicht. Womöglich ein Wutanfall, der über das Ziel hinausgeschossen ist. Bo, der Onkel, könnte ein wie auch immer geartetes Verhältnis zu dem Mädchen gehabt haben, das ist noch immer unklar. Sein enger Kontakt zu Sofie, da ist irgendwas …«
»Wie erklärt er das Ganze?«
»Er hat keine richtige Erklärung, weshalb Gundersen ihn noch immer im Visier hat. Er hat seine Überwachung angeordnet«, sagte sie. »Und außerdem ist da das Geld. Wir haben unter dem Bett des Mädchens eintausendeinhundert Kronen gefunden. Das Einkommen der Familie ist nicht gerade hoch, und die Eltern behaupten, nichts von dem Geld gewusst zu haben. Wir haben keine Ahnung, woher sie es hat. Möglicherweise hat sie es sich irgendwie verdient.«
Ryan nickte.
Rebekka trank einen Schluck von dem Bier, das in der Abendsonne bereits lauwarm geworden war.
»Also steht der biologische Vater des Mädchens nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses?«
»Allan Larsen hat ein Alibi. Er war mit einer Saufkumpanin und deren Eltern zusammen. Ich kann ihn mir als Täter ohnehin nicht vorstellen, was mit seinem physischen Zustand zu tun hat. Man könnte ihn anstoßen, und der Mann würde umkippen, im Ernst.«
Ryan lachte, und Rebekka fiel ein. Eine Schar Vögel flog mit flatternden Flügeln und heiseren Schreien erschrocken auf. Die Sonne senkte sich auf die Bäume, glühend rot.
»Fälle, in denen es um Kinder geht, vergisst man nie wieder, und so soll es auch sein. Du findest keinen Polizisten, den ein solcher Fall nicht zutiefst berührt, vor allem wenn das Kind tot aufgefunden wird. Das trifft auch auf die Fälle zu, in denen das Kind nie
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