Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
entlang, während sein halb volles Einkaufsnetz ihm um die Beine schlenkerte. Er lief langsam und unbeholfen, und einen kurzen Moment tat er ihr leid. Dann rannte sie ihm hinterher und hatte ihn kurz darauf eingeholt und angehalten. Er schnappte nach Luft. Das kurzärmlige Hemd klebte, nass von Schweiß, an seinem Körper. Rebekka hielt ihn an einem Arm fest und sah ihm in die Augen. Er war ein paar Zentimeter größer als sie.
»Warum laufen Sie denn weg, wenn ich Sie rufe?« Sie holte mit der freien Hand ihre Polizeimarke aus der Tasche.
Søren Thomsen antwortete nicht, sondern starrte sie lediglich kleinlaut an. Er glich einem Mittelding aus einem kleinen, molligen Jungen und einem erwachsenen Mann. Sie ließ ihn los. Søren Thomsen sackte noch ein wenig mehr in sich zusammen.
»Ich möchte gerne mit Ihnen reden. Sie können sich aussuchen, wo. Sollen wir in Ihre Wohnung hochgehen oder lieber ins Präsidium fahren?«
»Ins Präsidium«, murmelte er. Seine Stimme war heller, als sie erwartet hatte, und erinnerte sie an einen Jungen im Stimmbruch.
Die Antwort überraschte sie. Bei Weitem die meisten Menschen zogen es vor, in ihrer gewohnten, sicheren Umgebung befragt zu werden. Es sei denn, es gab etwas in ihrer Wohnung, was sie vor der Polizei verbergen wollten. Rebekka spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte.
»Gut. Dann fahren wir jetzt dorthin.« Sie zeigte zu ihrem Auto hinüber.
»Jetzt?« Er sah sie verständnislos an.
»Jetzt.« Sie ging zu ihrem Auto und spürte, wie er hinter ihr zögerte.
»Ja, aber meine Mutter …« Es klang wie ein Schrei.
Rebekka drehte sich zu Søren Thomsen um, der sie verzweifelt ansah.
»Ich habe meiner Mutter versprochen, Zigaretten zu holen«, fügte er hinzu und zeigte auf das Einkaufsnetz.
Rebekka lächelte ihn freundlich an. »Dann bringen wir sie ihr eben hoch. Wir können ja in der Zwischenzeit miteinander reden.«
Sie ging entschlossen auf das Treppenhaus zu. Søren Thomsen folgte ihr widerwillig. Ein starker Geruch nach Essen und abgestandener Luft schlug ihnen entgegen, als Søren Thomsen den Schlüssel mit zitternden Händen ins Schloss steckte und die Tür zu seiner Wohnung aufschloss.
»Sie können sich kurz hinsetzen, während ich zu meiner Mutter gehe und ihr die Sachen bringe.« Er führte sie in ein größeres Zimmer, von wo aus man auf die hohen Baumkronen des Naturspielplatzes sah.
»Was für eine schöne Aussicht.« Rebekka ging zum Fenster.
Søren Thomsen sah sie steif an. »Sie sollen sich da hinsetzen.« Er zeigte auf ein abgenutztes geblümtes Sofa, das mitten im Zimmer stand, gegenüber von einem Regal mit Fernseher und mehreren Reihen von DVD s. Rebekka lächelte ihm beruhigend zu und setzte sich.
»Ich komme gleich wieder. Sie müssen aber sitzen bleiben.« Søren Thomsen schob sich aus der Tür, ohne sie aus den Augen zu lassen. Rebekka nickte folgsam.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, als sie aufstand und zum Bücherregal ging, wo sie die DVD s durchforstete, die säuberlich Seite an Seite standen. Es waren vor allem dänische Filme. Sie öffnete eine der Hüllen, um zu sehen, ob der Inhalt mit der Beschreibung übereinstimmte, doch darin befand sich tatsächlich Der Poet und Lillemor . Sie stellte den Film zurück ins Regal und sah sich um. Das Wohnzimmer machte einen verwohnten Eindruck, ein Kleinod aus den Sechzigern, nahm sie an. Sie ging leise zur Tür und hörte aus dem links ans Wohnzimmer grenzenden Raum leise Stimmen. Lautlos schlich sie in die Diele, wandte sich nach rechts und öffnete vorsichtig die nächste Tür. Ein Zimmer voller Umzugskartons. Rebekka schloss die Tür und lauschte mit angehaltenem Atem. Die murmelnden Stimmen waren weiterhin zu hören. Ob sie noch ein Zimmer schaffen würde? Sie machte die nächste Tür auf und trat ein.
Schockiert blieb sie stehen, gelähmt von dem Anblick. Überall waren Kinder. Plakate, Fotos, Comicausschnitte und Kinderzeichnungen hingen dicht nebeneinander, waren mit Heftzwecken und Klebestreifen an der Wand befestigt. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie kam zu dem Schluss, dass das Sørens Zimmer sein musste, auf einem Bügel hing ein weißes kurzärmliges Hemd. Allerdings sah das Zimmer nicht wie das eines erwachsenen Mannes aus, sondern wirkte eher wie ein Kinderzimmer, so wie man es vor einigen Jahrzehnten eingerichtet hatte. Sie machte einen weiteren Schritt in den Raum, der sparsam möbliert war, mit einem schmalen Bett an der Wand, einem Schrank,
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