Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
einem Schreibtisch und einem Stuhl. Rebekka tastete nach dem Handy in ihrer Tasche. Die Tasche war leer, sie hatte es im Auto liegen gelassen. Sie wollte sich gerade umdrehen, um zurück ins Wohnzimmer zu gehen, als sie einen leichten Luftzug im Nacken spürte. Sie fuhr herum. Søren Thomsen stand direkt hinter ihr und starrte sie an. Sein Blick war stechend, und ihr war unbehaglich zumute.
»Sie sollten im Wohnzimmer sitzen bleiben.« Die Stimme war monoton und abgehackt, und ihr Unbehagen wuchs. Verhalte dich so, als hättest du Oberwasser, dachte sie, als hättest du die Situation völlig im Griff. Sie nahm sich zusammen und lächelte ihn an.
»Ich habe die Toilette gesucht.«
»Da.« Er zeigte auf die Tür gegenüber.
»Danke.« Sie drängte sich an ihm vorbei, ohne dass er Anstalten gemacht hätte, zur Seite zu treten. Ihre Körper berührten sich kurz, und sie bekam Gänsehaut. Rasch verschloss sie die Badezimmertür hinter sich, die alt und abgenutzt war. Eine gelbliche Badewanne, ein rissiges Handwaschbecken, rostige Wasserrohre und ein unebener Fliesenboden. Sie stand einen Augenblick da, sammelte sich, dann drückte sie die Toilettenspülung und drehte den Wasserhahn auf und beobachtete, wie das Wasser ins Becken lief. Sie ließ sich etwas Wasser über die Hand laufen, betupfte ihre feuchte Stirn, atmete tief durch und schloss die Tür wieder auf.
Søren stand noch genau da, wo sie ihn eben zurückgelassen hatte. Ob er gelauscht hatte? Schweigend gingen sie zurück ins Wohnzimmer und setzten sich. Es war stickig. Der Staub hing dick in der Luft. Rebekka schwitzte und verspürte den Drang, sich die Kleider vom Leib zu reißen, das Fenster zu öffnen und die Lungen mit frischer Luft zu füllen. Sie nahm sich zusammen und unterhielt sich mit ihm über dies und das. Wie lange er schon in der Wohnung lebe? Sein ganzes Leben – achtundvierzig Jahre. Arbeitete er? Nein, das hatte er nie getan, er bezog Rente. Aha, na klar. Sie nickte, lächelte, fragte und hörte zu.
»Søren, ich möchte mit Ihnen über die kleine Sofie Kyhn Larsen reden. Wie Sie sicher wissen, wurde sie gestern tot aufgefunden.«
Søren Thomsen starrte blass vor sich hin. Schweißperlen standen auf seiner Oberlippe.
»Die Polizei hat mich schon befragt. Ich kenne sie nicht. Ich weiß nichts darüber.«
»Ja, das verstehe ich. Trotzdem habe ich gedacht, dass Sie mir vielleicht helfen können.«
Er sah sie verständnislos an, aber sie fuhr unbeeindruckt fort: »Sehen Sie, Sofie war ein Mädchen, das sich gerne mit Erwachsenen unterhalten hat. Sie war redselig, und deshalb habe ich an Sie gedacht, weil Sie Kinder mögen. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie eigentlich alle hier im Viertel kennen, Sie wohnen ja auch auch schon ewig hier, nicht wahr?«
Sie sah ihn von der Seite an, während sie die Finger kreuzte, dass er auf ihre Worte anbiss.
»Ja, ich kenne viele hier, das stimmt. Ich bin schließlich hier in der Wohnung zur Welt gekommen.«
»Genau. Und deshalb habe ich mir gedacht, ob Sie nicht der Held des Tages werden und uns ein wenig helfen möchten.« Rebekka zog die Fotografie von Sofie aus der Tasche. »Sehen Sie genau hin, Søren.«
Søren wandte schnell das Gesicht ab.
»Søren.« Rebekka sprach sanft zu ihm, vertraulich. »Søren, ich glaube, dass Sie Sofie gekannt haben.«
Schweigen. Draußen auf der Straße beschleunigte ein Auto. Irgendwo im Haus knallte eine Tür. Sørens Augen flackerten, es war deutlich, dass widerstrebende Gefühle in ihm kämpften. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, als ein leises Rufen erklang: »Søren, Søren, wo bist du?«
Sørens Lippen wurden zu einem schmalen Strich, und er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich habe keine Ahnung, wer sie ist.«
»Søren?«
»Das ist die Wahrheit. Ich habe sie noch nie gesehen. Sie müssen jetzt gehen. Meine Mutter ist krank. Ich muss zu ihr.«
Sie standen beide gleichzeitig von dem Sofa auf, und er begleitete sie zur Wohnungstür. Sie sah ihn an.
»Es kann sein, dass ich mich noch einmal bei Ihnen melde.«
Er antwortete nicht, öffnete lediglich die Tür und trat einen Schritt zurück, sodass sie hinausgehen konnte. Er hatte mollige Hände, fiel ihr auf, weiß, weich und ohne Haarwuchs.
»Haben Sie ein Auto, Søren?«
Einen Augenblick hatte es den Anschein, als hätte er die Frage nicht verstanden, dann nickte er bestätigend.
»Welche Farbe hat es?«
»Es ist dunkelblau. Ein dunkelblauer Volvo. Ein Kombi. Sehr alt.«
Als Rebekka
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