Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
natürlich verheiratet war. Glücklich vermutlich. Mit reizenden Kindern, die ihm ähnlich sahen, von jeder Sorte eins – ein Junge und ein Mädchen. Er hatte nur so unverheiratet gewirkt. Resolut legte sie auf, während ihr die Tränen in die Augen traten. Sie schaltete das Telefon aus und nahm den Rotwein mit ins Bett, die Tränen kratzten in ihrem Hals.
Am nächsten Morgen wachte Rebekka mit heftiger Übelkeit auf. Als sie ins Badezimmer stolperte, wäre sie beinahe über den Gürtel ihres Bademantels gefallen. Sie steckte sich den Finger in den Hals und erbrach sich heftig in die Kloschüssel. Viel zu viel Amarone. Sie musste endlich daraus lernen.
Sie warf den Bademantel auf den Boden, stieg schnell unter die Dusche und blieb lange dort stehen, während sie Kraft sammelte, um einem neuen Tag ins Auge zu sehen. Als sie das Handy einschaltete, sah sie, dass Niclas sie am vergangenen Abend zweimal angerufen hatte. Er hatte keine Nachricht hinterlassen.
—
»Wer hat Klinken geputzt und mit Søren Thomsen gesprochen? Ich kann die Unterschrift unter dem Bericht nicht lesen.«
Rebekka reichte Reza den Bericht, mit zusammengekniffenen Augen entzifferte er den Namen Jonas Møller. Jonas Møller war der gut aussehende Ermittler, mit dem Rebekka schon mehrmals Augenkontakt gehabt hatte, ohne dass sie ein Wort miteinander gewechselt hatten. Noch nicht.
»Warum?« Reza sah sie verständnislos an.
»Jonas Møller hat geschrieben, dass ein Søren Thomsen, der einige Häuserblocks von Sofie Kyhn Larsen entfernt wohnt, schwarze Haare hat. Deshalb. Ich bin mir darüber im Klaren, dass das möglicherweise verzweifelt wirkt, aber hallo – wir sind verzweifelt. Unsere Zeugin von dem Naturspielplatz hat doch erklärt, dass der Mann, den sie mit Sofie auf dem Arm gesehen hat, schwarze Haare hatte. Es ist immerhin einen Versuch wert.«
»Ich finde nicht, dass die Zeugin sonderlich glaubwürdig wirkt, Rebekka. Sie war schließlich überzeugt, dass es Allan Larsen war, den sie gesehen hat, aber er hat ein wasserdichtes Alibi. Du hast selbst gesagt, dass sie einen unsicheren Eindruck gemacht hat.«
»Trotzdem.« Rebekka umklammerte den Bericht. Sie spürte noch immer den Alkohol, doch sie konnte nicht still sitzen, das Adrenalin pumpte durch ihren Körper, sie musste etwas tun.
»Ich habe nur gedacht, dass ich mir diesen Søren Thomsen mal etwas genauer ansehe.«
»Ist das nicht reine Zeitverschwendung? Mal ganz ehrlich.« Reza blickte sie müde an. Sie war überrascht, dass er überhaupt zur Arbeit erschienen war, wo ihm die Obduktion so sehr zugesetzt hatte. Er wirkte noch immer mitgenommen, fand sie.
»Es kann gut sein, dass das vergeudete Zeit ist, aber ich muss ihn mir selbst ansehen.«
Reza nickte geistesabwesend. Rebekka stand auf und packte ihre Sachen. Sie sah ihren Kollegen kurz an und nahm sich vor, bald richtig mit ihm zu reden, damit sie sich auf den neuesten Stand brachten. Sie hatte ihm auch noch nichts von ihrem Bruch mit Michael erzählt.
»Willst du mit?«, fragte sie und hoffte, dass er Ja sagen würde. Dann könnten sie im Auto miteinander reden.
Doch er schüttelte den Kopf und vertiefte sich wieder in seine Arbeit.
»Reza.«
Er sah auf, ihre Blicke begegneten sich.
»Es ist lange her, seit wir richtig miteinander geredet haben«, fuhr sie fort. »Ich vermisse das. Sollen wir nicht demnächst zusammen zu Abend essen?«
»Du hast recht. Das machen wir. Ich lasse mir was einfallen. Meine Familie möchte dich auch so gern mal kennenlernen.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann war er wieder mit seinen Papieren beschäftigt.
—
Rebekka erkannte ihn in dem Augenblick, in dem sie das Auto vor dem Haus parkte, wo Søren Thomsen ihren Informationen zufolge wohnen sollte. Er ging über den Bürgersteig, ein gedrungener, kräftiger Mann mit schwarzem, wassergekämmtem, grau durchsetztem Haar und einer altmodischen Brille. Er hatte einen lustigen, hüpfenden Gang und erinnerte sie an die Hauptfigur im Film Rainman .
Rebekka stieg aus dem Auto und winkte ihm. Der Mann blieb sofort stehen und starrte sie verblüfft an. Rebekka wedelte heftig mit den Armen.
»Warten Sie. Sind Sie Søren Thomsen?«
Der Mann sah sie erschrocken an. Sie bewegte sich auf ihn zu, was ihn augenblicklich dazu veranlasste fortzulaufen.
»Hallo, Sie brauchen keine Angst zu haben«, rief sie. »Ich möchte nur mit Ihnen reden. Halt!«
Søren Thomsen blieb nicht stehen, sondern lief weiter den Bürgersteig
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