Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
wieder in ihrem Wagen saß, rief sie den Chef der Mordkommission an. Sie informierte ihn kurz über die Situation, erzählte von den Kinderzeichnungen, den vielen Kinderfotos aus mehreren Jahrzehnten, die in Sørens Schlafzimmer hingen, und von ihrem Gefühl, dass da etwas nicht stimmte.
Brodersen hörte wie üblich zu. Er schwieg, während sie ihren Vorschlag vorbrachte, und sie wartete nervös, bis sie endlich sein Okay hatte. Er würde sofort ein Team schicken. Sie legte auf, ihr Puls schlug hart und gleichmäßig. Ein Windstoß wirbelte eine Plastiktüte vom Boden auf und ließ sie über den Asphalt schweben. Rebekka beobachtete sie, während sie triumphierend die Fäuste ballte. Sie lief auf dem Bürgersteig auf und ab. In den Ritzen zwischen den Platten wuchs Löwenzahn, und sie achtete darauf, ihn nicht platt zu treten. Sie warf einen schnellen Blick auf das Haus, in dem Søren Thomsen wohnte, und sah, wie die Küchengardine sich ein wenig bewegte. Er behielt sie im Auge.
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Die Luft schwirrte vor Erwartungsdruck, und Rebekka hatte das Gefühl, dass die Blicke sämtlicher Ermittler schwer auf ihr lasteten. Brodersen sah sie mit seinen ruhigen, grauen Augen an. Er vertraute ihr. Sie wollte ihn nicht enttäuschen.
Sie stiegen die Treppe hinauf, sechs gestandene Ermittler, darunter Gundersen, Simonsen, Reza und Super. Sie klingelten. Die Klingel hallte. Keine Reaktion. Hatte Søren Thomsen Lunte gerochen? War er abgehauen? Rebekka biss sich fest in die Innenseite der Wange, bis sich Blutgeschmack in ihrem Mund ausbreitete. Sie klingelten noch einmal. Dann waren schleppende Schritte zu hören, und sie standen einem verblüfften Søren Thomsen gegenüber. Sein Erstaunen wandelte sich jedoch bald in Schrecken, als er das ganze Gefolge hinter ihr sah. Sie erklärten ihm, was sie wollten, informierten ihn über seine Rechte und zeigten ihm den Durchsuchungsbeschluss. Er machte nicht den Eindruck, als würde er viel verstehen, sondern ließ sie lediglich mit hängenden Schultern herein. Sie teilten sich auf und begannen mit der Durchsuchung. Simonsen und ein jüngerer Ermittler gingen den Flur entlang zur Küche. Søren folgte ihnen in einem Schritt Abstand.
»Sie dürfen meine Mutter nicht wecken. Sie schläft. Sie ist krank. Ernsthaft krank.«
Die Stimme war die eines weinerlichen Kindes. Brodersen legte Søren Thomsen den Arm um die Schulter, eine Geste, die eine beruhigende Wirkung haben sollte, Søren Thomsen jedoch so heftig einen Schritt zurückweichen ließ, dass er das Gleichgewicht verlor und mit einem lauten Knall hinfiel. Er blieb auf dem Boden liegen, hielt sich die Hände schützend über den Kopf und jammerte immer wieder: »Nein, nein, nein.« Sie halfen ihm auf die Beine, lotsten ihn in die Küche und beruhigten ihn. Er starrte sie verloren aus seinen dunklen Augen an. Schweiß rann aus den schwarzen Haaren und ließ sie nass glänzen.
Rebekka machte die Tür zum Schlafzimmer der Mutter einen Spalt breit auf und wich einen Schritt zurück, als der Geruch ihr entgegenschlug. Sie schluckte, merkte, wie sich der Speichel in ihrem Mund sammelte, und musste sich zwingen einzutreten. Ein Bett, das an das in einer Klinik erinnerte, stand in der Mitte des Zimmers, und ein Büschel schwarzer Haare war am Rand der Bettdecke zu sehen.
»Frau Thomsen, mein Name ist Rebekka Holm. Ich bin von der Polizei.« Sie ließ die Mordkommission weg, denn sie wollte der Frau keine unnötige Angst einjagen. Ein Gesicht, so runzlig wie ein überreifer Apfel, kam über der Bettdecke zum Vorschein, und zwei dunkle Augen blickten sie ernst an.
»Meine Kollegen und ich werden Ihre Wohnung durchsuchen.«
»Die Wohnung durchsuchen?« Sie sah Rebekka verständnislos an.
»Genau. Wir führen eine Hausdurchsuchung durch, weil der Verdacht besteht, dass sich in Ihrer Wohnung etwas befinden könnte, was mit dem Mord an der neunjährigen Sofie Kyhn Larsen zu tun hat, dem kleinen Mädchen, das vor einem guten Monat vom Naturspielplatz verschwunden ist.«
»Sie vergeuden Ihre Zeit. Søren hat nichts damit zu tun.« Die alte Frau schnaubte wütend, schloss fest die Augen und zog sich die Decke über den Kopf. Rebekka betrachtete sie einen Moment, bevor sie zu den anderen zurückging.
Simonsen öffnete im Wohnzimmer gerade alle Schubladen in dem Regalsystem. Er drehte sich zu ihr um, rümpfte die Nase und meinte impulsiv: »Verdammt, ist das unangenehm hier.« Sie kommentierte das nicht weiter, sondern fragte nach Brodersen und
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