Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Søren war, den man festgenommen hatte und den man der Entführung und des Mordes an Sofie Kyhn Larsen beschuldigte, hatte sie panisch versucht, Informationen über Søren aus der Tochter herauszuholen. Es war ihr nicht gelungen, und deshalb war sie mit ihrem Kind zur Polizei gegangen, in der Hoffnung, dass die Beamten mehr Erfolg hätten.
Sie hatten über eine halbe Stunde in dem warmen Büro gesessen und mit Karina über alles Mögliche geredet, über die Schule, über Hanna Montana und über allerlei, was sie sonst noch interessierte, nur nicht über Søren Thomsen. Dann schob Rebekka ihr vorsichtig die Zeichnung von dem Mann mit den scharfen Zähnen hin. »Hast du dieses Bild gemalt?«
Das Mädchen warf einen Blick auf die Zeichnung. »Das ist lange her. Ich zeichne jetzt besser«, antwortete Karina und kaute eifrig auf ihrem Kaugummi herum, dessen synthetisch süßlicher Duft sich im Büro ausbreitete.
»Versuch mal, mir etwas zu dem Bild zu erzählen.«
»Das ist ein Mann«, antwortete Karina, während sie sich etwas pinkfarbenen Lack von einem Fingernagel kratzte.
»Hast du einen Mann gezeichnet, den du kennst?«
Karina blickte auf und nickte. »Das ist doch Søren«, sagte sie nachsichtig.
»Søren? Euer Nachbar?«, fragte Rebekka.
Karina nickte schnell. »Sehen Sie das denn nicht?«, fragte sie verwundert.
»Doch, jetzt, wo du es sagst.« Rebekka lächelte breit und gab dem Mädchen die Zeichnung zurück. »Aber sag mal, Karina, was ist mit Sørens Zähnen?« Sie zeigte auf die scharfen Zähne in Sørens Mund.
Karina blies eine Kaugummiblase, die kurz darauf mit einem kleinen Knall zerplatzte. »So sieht er manchmal aus.«
»Wirklich? Und warum?«
Karina blies noch eine Blase, antwortete aber nicht.
»Karina, kannst du mir sagen, warum Søren so aussieht?«, wiederholte Rebekka.
Das Mädchen wand sich auf seinem Stuhl, es war offensichtlich, dass sie gerade diese Frage nicht beantworten mochte. Rebekka spürte eine kleine Triumphwelle durch ihren Körper fluten.
»Karina, als ich in deinem Alter war, habe ich auch hin und wieder einen älteren Mann besucht. Er hieß Per und war Fischer.«
Karina reagierte nicht sofort, doch Rebekka spürte, dass sie ihr zuhörte. Jetzt galt es, ihre Aufmerksamkeit zu halten, die Geschichte spannend zu machen. »Weißt du, was Per und ich zusammen gemacht haben?«
Das Mädchen schüttelte leicht den Kopf.
Rebekka senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Wir haben uns Filme angesehen. Und warmen Kakao mit ganz viel Zucker getrunken und uns seltsame Brote gemacht. Wir haben um die Wette die unappetitlichsten Kreationen erfunden. Makrelensalat mit Röstzwiebeln, Leberpastete mit Tomate und Salami mit Thunfisch und Mayonnaise. Brrr.« Sie schnitt eine Grimasse, die das Kind laut kichern ließ. »Was machen Søren und du, wenn ihr zusammen seid?«, fragte sie dann ruhig und hielt den Blick des Mädchens fest.
»Meistens reden wir.« Karina schniefte, dann wischte sie sich die Nase an ihrem Pullover ab. »Wir reden und spielen Spiele. Alte Spiele. Mensch ärgere dich nicht und Monopoly. Ich habe ihn damit aufgezogen, dass er so altmodisch ist, da hat er Uno gekauft. Meinetwegen. Wir sehen uns auch Filme an. Er hat so ein paar lustige. Von früher.«
»Das klingt ja nett. Was macht ihr denn, wenn Søren so aussieht, wie du ihn gemalt hast?«
»Dann gibt er mir Geld.«
»Er gibt dir Geld? Wofür bekommst du denn das Geld?« Rebekka rückte näher an Karina heran, während sie ihr Herz ein wenig schneller schlagen spürte. Karinas Blick begann leicht zu flackern, was ihr Gefühl, dass etwas nicht stimmte, nur noch verstärkte.
»Ich habe versprochen, nichts zu verraten.« Karina blickte auf ihre Hände, die pinkfarbenen Nägel waren heruntergekaut, und um das Handgelenk baumelten ein paar geflochtene Bänder in klaren Farben.
»So ein Versprechen gilt nicht bei der Polizei. Da muss man alles erzählen. Das tut Søren auch. Er kennt diese Regel.«
Karina sah weiterhin unsicher aus und spielte an den Bändern herum. Dann sah sie mit dem festen Blick einer Erwachsenen zu Rebekka hoch.
»Er hat mir Geld für mein Höschen gegeben. Er hat mir hundert Kronen gegeben. Dafür, dass ich ihm mein Höschen gegeben habe. Hundert Kronen.« Sie lächelte bei dem Gedanken an das Geld. »Für hundert Kronen kann man viel kaufen«, fügte sie altklug hinzu.
»Hundert Kronen sind viel Geld«, stimmte Rebekka zu und fuhr fort: »Karina, was solltest du denn sonst
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