Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
gewesen.
Sie hatte weitere Ersatzpapiere im Futter ihres Schmuckkästchens stecken, zusammen mit einigen Kreditkarten, einer Sam’s-Club-Card sowie einer Mitgliedskarte des Museum of Modern Art.
    Sie trug ihr Haar bewusst kurz und führte als festen Bestandteil ihrer Garderobe stets zwei Perücken mit sich. Wir kauften ihr am nächsten Tag eine neue Brieftasche und eine neue Handtasche, dazu eine Tonne des üblichen Zeugs, das Frauen darin herumschleppen. Um elf Uhr waren wir am National Airport. Ich gab ihr im Wagen einen Abschiedskuss, folgte ihr dann in einigem Abstand ins Abfluggebäude. Es gab keinerlei Schwierigkeiten. Die pingeligen Sicherheitsleute ließen sie die Schuhe ausziehen, da in den Absätzen Stahlstifte steckten, aber niemand kam auf den Gedanken, dass diese hübsche Blondine eine Perücke tragen könnte. Sie glich in nichts mehr der Frau aus dem Rock Creek Park.
    Hinter der Sicherheitszone drehte sie sich noch einmal zu mir um, nickte mir kurz zu, und dann verschwand sie – eine kleine, schmale, gut gekleidete Frau mit einer mittelgroßen Handtasche, vermutlich die Angestellte einer gemeinnützigen Gesellschaft auf Geschäftsreise, vielleicht auch die Assistentin eines Kongressabgeordneten auf dem Heimflug.
     
    Noch vor unserem Aufbruch zum Flughafen hatte ich den Kongressabgeordneten Wayne Bob unter der Telefonnummer angerufen, die er uns für den Casino-Job gegeben hatte. Als er sich meldete, sagte ich ohne Umschweife: »Hier ist Kidd. Ich muss Sie heute noch treffen. Es hat sich, Gott ist mein Zeuge, eine echte Notsituation ergeben. Es hat mit diesem ganzen Korruptions-Mistzeug im Fernsehen zu tun. Es liegt in Ihrem persönlichen Interesse, mit mir zu reden.«
    »Soll da etwa was über mich kommen?«, platzte er heraus.
    »Ich weiß es nicht. Aber es könnte sein. Man hat eine Akte
über Sie, und es geht dabei um einen Deal von Ihnen mit einem gewissen Whit Dickens. Sagt Ihnen der Name was?«
    Ich konnte fast hören, wie er sich aufgeregt mit der Zunge über die Lippen strich. »Vielleicht …«
    Ich sagte: »Ich könnte Ihnen mehr dazu sagen, wenn wir uns an einem sicheren Ort treffen.«
    »Wo?«, fragte er.
    »Wie wär’s mit dem Hay-Adams-Hotel?«
    »Okay. Um Viertel vor drei? Ich lasse uns eine Nische reservieren.«
    »Okay. Bis dann.«
     
    Das Spezielle am Hay-Adams ist, dass an jedem Tag, zu jeder Stunde, Politiker dort ein und aus gehen; und das Restaurant hält viele kleine Nischen und stille Plätzchen für seine Gäste bereit, wo man wichtige Gespräche führen kann, ohne gesehen zu werden oder der Gefahr ausgesetzt zu sein, von jemandem belauscht zu werden. Sehr günstig für mich war auch, dass ich das Restaurant in zwei Minuten vom Hotel aus erreichen konnte.
    Ich war pünktlich um Viertel vor drei dort. Ein Ober führte mich zu der reservierten Nische, brachte mir ein Glas Eiswasser und die Speisekarte, ließ mich allein, kam gleich darauf zurück, um mir zu übermitteln, der Abgeordnete Bob käme zehn Minuten später als verabredet. Ich bestellte ein Dos Equis und trank Eiswasser und Bier und las die Washington Post , bis Bob um fünf vor drei auftauchte.
    Bob war klein und zu schwergewichtig, auf eine maskuline, rosige Art, wie sie bei Männern aus den Südstaaten oft anzutreffen ist. Er hatte ein gerötetes Gesicht mit einer kurzen Nase, einen rundlichen Bauch, strohblondes Haar, und er zeigte ein permanentes Lächeln. Er schwitzte in der Sommerhitze, wie ich sah, als er sich mir gegenüber auf die Sitzbank
schob. Er trug einen blau gestreiften Anzug aus kreppartigem Leinen, wie ihn nur Südstaatler zu tragen wagen, an der linken Hand glänzte ein rosafarbener Ring mit einem tiefblauen ovalen Stein, und er war, so konnte man alles in allem sagen, eine recht eindrucksvolle Erscheinung. Ich schätzte ihn auf rund fünfzig Jahre. Bob war nett zu alten Leuten, Kindern und Hunden, aber er stand in dem Ruf, wie eine Klapperschlange zuzuschlagen, wenn man ihm in die Quere kam. Der Blick in seinen blassblauen Augen war besorgt.
    »Was ist los?«, fragte er. Ehe ich antworten konnte, richtete er einen Pistolenfinger auf den Ober, steckte dann die Spitze des Daumens in den Mund. Der Ober nickte und verschwand. »Universelles Zeichen für einen Beefeater-Martini, ungeschüttelt, eiskalt, mit zwei Oliven«, erklärte er.
    Ich holte die Ausdrucke der Dokumente, die man über Bob zusammengestellt hatte, aus der Jackentasche, faltete sie auseinander und schob sie ihm über den Tisch zu.

Weitere Kostenlose Bücher