Todesspiel
sie dann nicht erreicht, kriege ich keine Passwörter.«
»Na, ich wette, Politiker überprüfen ihre E-Mail-Eingänge alle fünf Minuten, und das auch samstags«, sagte LuEllen. Sie streckte sich. »Komm, wir gehen erst mal frühstücken.«
Während sie Toilette machte, zappte ich durch die örtlichen Fernsehkanäle, stieß auf Nachrichten, aber es gab keine Meldungen zu der Schießerei in der Clay Street am Abend zuvor. Wir gingen zum Frühstück, aßen belegten Toast, und LuEllen gab sich überaus fröhlich, wohl um eine gewisse Verlegenheit zu überdecken, dass sie sich in dem Gespräch am Abend zuvor so geoutet hatte. Dann fuhren wir zu unserem großartigen Wi-Fi-Gebäude und gingen online.
LuEllen behielt Recht mit ihrer Einschätzung von Politikern – sie überprüfen auch samstags ihre E-Mail-Eingänge. Siebzehn Antworten waren unter meiner Einmal-Adresse eingegangen. Ich transferierte sie auf Carps Laptop, wählte dann die erste Nummer der DDC-Arbeitsgruppe. Der Log-in-Screen zuckte auf, und ich begann, Namen einzugeben. Darryl Finch – der sechste Name auf der Liste – hatte als Passwort Dfinch / Bluebird9 angegeben. Das klappte nicht, aber Dfinch / bluebird5 verschaffte mir schließlich Zugang zu einem PC.
Ich stieß auf vielerlei Details zu den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, fand aber keine Dateien über James Carp oder Bobby. Dann, beim Durchstöbern einer Datei über eine gewisse Linda Soukanov, entdeckte ich ein Schreiben, in dem die Beschwerde einer Kollegin über Carp unterstützt wurde. Soukanov arbeitete für die DDC-Arbeitsgruppe. In ihrem Schreiben stand, dass sie Zeugin gewesen sei, als Carp einer Kollegin am benachbarten Arbeitsplatz »unwillkommene Aufmerksamkeit« geschenkt habe. Die Kollegin hieß Michelle Strom und arbeitete am »Bobby-Projekt«.
»Großartig!«, freute ich mich.
»Bist du auf was gestoßen?« LuEllen langweilte sich.
»Wahrscheinlich … Warten wir’s ab.«
Ich ging in den Ordner »Michelle Strom« und fand eine Beschwerde vor, in der sie darlegte, Carp habe sie im Aufzug »unsittlich berührt«, indem er »seinen Unterleib gegen meinen Hintern« drückte, und ein andermal habe er unter dem Vorwand, sich das Foto auf ihrer um den Hals hängenden Ausweiskarte ansehen zu wollen, ihre Brust berührt. Dann führte sie noch aus, sie hätte diese Vorfälle eigentlich nicht melden wollen, da sie sich nicht sicher gewesen sei, ob Carp mit voller Absicht zu Werke gegangen sei, aber dann habe sie von anderen solcher Grapschereien Carps bei Kolleginnen gehört …
Ich schaute in meine Liste der Anforderer des Senator-Protokolls. Linda Soukanov hatte kein Interesse gezeigt, aber Michelle Strom stand in der Liste: Mickey / DasMaus1 . Ach du heilige Scheiße …
Ich ging bei Dfinch raus und versuchte es mit dem jämmerlichen Mickey / DasMaus1 , hatte aber zunächst keinen Erfolg. Ich brauchte fünf Minuten, die möglichen Kombinationen durchzugehen, dann hatte ich’s: Mickey / Mauser . Hacker finden alles raus, wenn sie geduldig sind …
Meistens jedenfalls. Ich loggte mich in Michelle Stroms System ein und musste feststellen, dass ich zwar Memos oder Berichte einspeisen, aber ohne einen zusätzlichen Kode nichts rausholen konnte. Aus der Anordnung des Vorverarbeitungssystems musste ich vermuten, dass der Link mich eher rausschmeißen als mir Experimente erlauben würde – und den Systembetreiber warnen, dass jemand versuchte, das System zu knacken, nachdem er sich mit Stroms Passwort Zugang verschafft hatte.
»Ende der Fahnenstange«, sagte ich vor mich hin.
Ich gab vier weitere Namen/Passwort-Kombinationen ein, aber die Sicherheit war besser, als ich gedacht hatte. Ich konnte zwar administrative, aber keine operativen Dateien öffnen. Bevor ich rausging, gab ich noch William Heffron in eine allgemeine Suchmaschine ein und stieß umgehend auf ein halbes Dutzend Berichte in Nachrichten-Websites von TV-Sendern in Washington. Ich holte den ersten auf den Screen und las ihn LuEllen vor:
»Zwei Männer aus Virginia wurden am Freitagabend in einem Apartmentgebäude am Meridian Park erschossen. Der Mörder erschoss einen der Männer im Treppenhaus des Gebäudes, den anderen, der zu fliehen versuchte, auf dem Gehweg vor dem Gebäude, wie die Polizei des District of Columbia heute bekannt gab.
Terrance Small aus Alexandria und William Heffron aus McLean, beide Regierungsangestellte, waren offensichtlich unterwegs, um einen Freund zu besuchen, als sie erschossen wurden.
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