Todesspiel
Die Polizei vermutet, dass die Männer unbeabsichtigt in eine Drogentransaktion in den Marlybone Apartments an der Clay Street hineingerieten.
Wie die Polizei weiterhin bekannt gab, wurden beide Männer im Stil einer Exekution aus nächster Nähe durch Kopfschüsse getötet, nachdem sie bereits mehrere Schusswunden davongetragen hatten. Keiner der beiden Männer war nach Aussagen der Polizei vorbestraft. Terry Banks, leitender Beamter in der Abteilung Datenintegration des Justizministeriums, sagte: ›Das ist eine schreckliche Tragödie. Beide waren untadelige, allseits beliebte Männer. Es ist unfassbar, dass solche Verbrechen passieren. Die Mitarbeiter in der Abteilung sind entsetzt und untröstlich.‹«
Es gab, wie gesagt, noch andere Berichte, aber das waren die wesentlichen Informationen.
»Eine Drogensache?« LuEllen war entrüstet. »Die Regierungstypen sagen den Cops nicht, was hinter der Sache steckt, selbst wenn ihre eigenen Leute ermordet werden. Die sind doch genauso beknackt wie Carp!«
»Vielleicht wissen sie’s wirklich nicht«, sagte ich. »Vielleicht wissen die Vorgesetzten nicht, dass Carp dort ein Apartment hat – und was Small und Heffron dort vorhatten.« Ich ging wieder in die Suchmaschine, gab »Carp« ein, erhielt aber nur Auskünfte über den Karpfen. »Nichts über Jimmy oder James Carp zu finden.«
LuEllen schüttelte weiterhin entrüstet den Kopf, zog die Mundwinkel nach unten. Ich bin nur ein mäßiger Skeptiker, wenn es um die moralische Qualität unserer Regierung geht; sie ist auf der Skeptiker-Schiene ein gutes Stück weiter als ich.
»Und was jetzt?« LuEllen drehte sich in ihrem Sessel, schaute hinunter auf die Straße. »Wir sind schon ziemlich lange hier …«
»Wenn du besseres Einbruchswerkzeug brauchen würdest als das, was man überall kriegen kann, hättest du dann irgendwo in der Nähe eine Quelle?«
»In Philly«, antwortete sie. »Du hast den Mann mal getroffen.«
»Ich dachte, er hätte nur Waffen auf Lager.« Der Mann hatte mich einmal für eine Konfrontation in West Virginia mit Waffen ausgestattet. Eine weitere Sache, die ich aus meinen Träumen auszuklammern versuche …
»Wir können bei ihm auch das Zeug kriegen, das du eben angesprochen hast.«
»Der Typ ist mir irgendwie nicht geheuer«, sagte ich.
»Weil er ein echter Fiesling ist«, räumte sie ein. »Aber er kann uns liefern, was wir brauchen, und man kann ihm voll vertrauen. Wir machen also irgendwo einen Einbruch?«
Ich strich mit den Fingerspitzen über meine Schläfen, dachte nach. »Diese Michelle Strom ist interessant«, sagte ich dann. »Ich möchte mich gerne mal in ihrem Apartment umsehen. Lass mich erst noch …«
Ich ging mit dem Dfinch -Passwort zurück in das System und öffnete Stroms Personalakte. Sie war dreiunddreißig, Single, besaß einen B. A. in Geschichte und Russisch und einen M. A. in Russisch. Sie hatte irgendeine Aufsichtsfunktion inne, aber ich konnte die Zahl ihrer Untergebenen nicht herausfinden. Es gab zwei gute Fotos von ihr, offensichtlich für ihre Ausweiskarte angefertigt. Ich kopierte die Adresse ihres Apartments sowie die private, die dienstliche und die Mobiltelefonnummer.
»So … Wenn wir in ihre Wohnung rein- und rauskommen, ohne dass sie was merkt, könnte es sich lohnen.«
»Brauchen wir längere Zeit in der Wohnung?«, fragte sie.
»Hmmm … ja«, antwortete ich. »Acht, zehn, aber nicht mehr als fünfzehn Minuten.«
»Das ist unendlich lang … So, und jetzt erzähl mir mal, warum wir das machen wollen, und zwar in fünfundzwanzig oder weniger Worten.«
Das war ein alter Scherz zwischen uns – wenn man nicht mit fünfundzwanzig oder weniger Worten erklären konnte, warum man irgendwo einbrechen wollte, hatte man die Sache nicht intensiv genug durchdacht. Ich sagte: »Jeder Büroarbeiter nimmt heutzutage Arbeit mit nach Hause, sogar Verschlusssachen. Wir können nicht in Stroms Büro einbrechen, online funktioniert nicht, also bleibt nur ihre Wohnung … Wie viele Worte waren es?«
»Genau fünfundzwanzig«, sagte sie. »Falls ›heutzutage‹ ein Wort ist.«
LuEllen machte den Anruf bei ihrem Lieferanten, dann fuhren wir los nach Philly. Wir würden dort einen Mann namens Drexel treffen, einen Waffenhändler en gros und en détail sozusagen. Ich hatte ihn bisher zweimal bei anderen Reisen in die Gegend von Washington getroffen. Damals hatte er in einer gutbürgerlichen Vorstadt in einem soliden Haus gewohnt, wie es sich Buchhalter oder
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