Todesspiel
nervös. Wir hatten alle möglichen Gesprächsentwicklungen immer wieder durchgesprochen.
»Ja!« Ich gähnte demonstrativ – als Kontrastprogramm zu ihrer Nervosität.
Nach all den peniblen Vorbereitungen entwickelte sich die Sache dann wie folgt:
Ich steuerte Krauses Zufahrt an, fuhr sie hoch. LuEllen versteckte sich hinter den Vordersitzen. Wenn es zu dem erhofften
Gespräch mit Krause kam, würde sie sich ans Steuer setzen, den Wagen wenden und uns ein schnelles Verlassen des Grundstücks ermöglichen … Ich stieg aus, nahm das FedEx-Paket voller alter Zeitungen vom Rücksitz und stellte meinen kleinen Sony-Laptop mit beleuchtetem Screen darauf; er sollte eines dieser Geräte simulieren, auf dem sich Paketzusteller die Auslieferung quittieren lassen. Falls Krauses Frau zur Tür kam, würde ich höflich nach ihrem Mann fragen. Wenn sie darauf bestand, das Paket selbst entgegenzunehmen, würde ich das ablehnen und sagen, ich müsste dann am nächsten Tag wiederkommen. Wenn auch das Krause nicht zur Tür brachte, würden wir davonfahren.
Falls Krause jedoch selbst zur Tür kam, würde ich mein Gesicht schnell zur Seite drehen, die Maske herunterstreifen und den Revolver auf ihn richten. Ich hatte alle Patronen aus der Waffe entfernt, da ich keinesfalls auf ihn schießen wollte, selbst wenn er etwas Verrücktes tat, zum Beispiel auf mich losging. Nun ist es allerdings so, dass eine Person, auf deren Brust oder Kopf ein Revolver gerichtet wird, sehen kann, ob Patronen in der Trommel stecken oder nicht. Ich musste also vorsichtig sein und die Waffe auf seinen Unterleib richten.
Die meisten Eventualitäten, auf die wir uns so sorgsam vorbereitet hatten, traten nicht ein. Ich ging die Vordertreppe hoch, drückte auf die Türklingel, und wenige Sekunden später kam Krause, wie ich durch die Glastür sah, auf mich zu. Er trug Shorts und ein Polohemd statt eines seiner üblichen blauen Hemden, aber sein langes Gesicht war unverwechselbar.
Ich hielt das Paket samt dem erleuchteten Computerscreen gut sichtbar vor die linke Körperhälfte, drehte den Kopf zur Seite, streifte mit der rechten Hand die Maske übers Gesicht. Die Sonne war inzwischen untergegangen, die Dämmerung setzte zaghaft ein …
Die Tür wurde aufgezogen, und der Senator fragte mürrisch: »FedEx? Was gibt’s?«
Ich drehte ihm das Gesicht zu, und er zuckte zurück. Bill Clinton?
Ich nahm den Revolver in die rechte Hand, sagte aber mit ruhiger Stimme: »Ich werde Ihnen nichts tun. Geben Sie keinen Ton von sich und bewegen Sie sich nicht. Ich will nichts, als fünf Minuten mit Ihnen reden, und dann verschwinde ich wieder.« Ich drückte den rechten Fuß gegen die Tür, hielt das Paket mit dem Laptop immer noch in der linken Hand.
Er trat einen Schritt zurück, schaute über die Schulter, sah mich dann wieder an, und ich sagte schnell: »Hören Sie gut zu, Senator, ich werde Ihre Karriere retten, wenn Sie mir fünf Minuten Zeit geben, Ihnen den Grund für mein Kommen darzulegen. Wenn Sie um Hilfe rufen oder sonst etwas Dummes machen, wäre das die falscheste Entscheidung, die Sie je getroffen haben, denn dann verschwinde ich sofort.«
Er schüttelte verwirrt den Kopf. »FedEx …?«
»Nein. Hören Sie mir zu – Sie haben bestimmt von dem Mord an dem Schwarzen in Jackson, Mississippi, erfahren, vor dessen Haus ein Feuerkreuz abgebrannt wurde, oder?«
»Ja«, sagte er vorsichtig. Wieder schaute er über die Schulter zurück ins Haus, überlegte wohl krampfhaft, ob er zu einem Telefon stürzen sollte, wagte es aber angesichts der Waffe nicht.
»Der Mann, der da in Jackson ermordet wurde, war Bobby . Sie wissen, von wem ich rede? Ich meine den allseits gesuchten Hacker Bobby …«
Er runzelte die Stirn. Zum ersten Mal schien er an etwas anderes zu denken als an Flucht. »Ich habe von diesem Mord in den Nachrichten erfahren, aber da war keine Rede von einem Hacker.«
»Aber der Name Bobby sagt Ihnen was, oder?«
»Ja, ich habe von ihm gehört, aber ich …«
»Wissen Sie, dass gestern zwei Männer aus Ihrer DDC-Arbeitsgruppe ermordet worden sind?«
»Wer sind Sie?« Als eingefleischter Politiker versuchte er, zur Offensive überzugehen. Klar, er wusste von den Morden.
»Ich bin Bill Clinton«, sagte ich. »Passen Sie jetzt gut auf: Ein ehemaliger Mitarbeiter im Stab Ihres Nachrichtendienstkomitees, ein gewisser James Carp, hat Bobby getötet, ihn ermordet, ihm den Schädel eingeschlagen, und er hat Bobbys Laptop gestohlen. In diesem
Weitere Kostenlose Bücher