Todesspiel
eine überdurchschnittlich hohe Zahl junger Mütter mit Kinderwagen auf den Gehwegen.
Nach einer Besichtigungstour kamen wir zu dem Schluss, dass Carp am ehesten im »White Creek«-Komplex untergeschlüpft sein könnte, einem Gebäude in U-Form mit vier weißen Säulen am Haupteingang und einem Asphaltparkplatz an der Vorderfront. Ich kreuzte über den Parkplatz, dessen Stellfläche für kaum mehr als hundert Fahrzeuge ausreichte, während LuEllen in dem anderen Wagen hinter mir die Straßenränder absuchte. Kein roter Corolla.
»Du fährst links um das Gebäude, ich rechts«, befahl ich über das Funkgerät.
»Verstanden, Sir. Ende.« Der Kontakt über die Walkie-Talkies machte ihr sichtlich Spaß, einschließlich absichtlich übertriebener Korrektheit in der Funksprache.
Falls wir Carps Wagen beim ersten Umkurven des Komplexes nicht fanden, wollten wir es, so sprachen wir uns ab, später noch mehrmals versuchen – Carp konnte ja einfach zum Mittagessen irgendwohin gefahren sein.
Aber das hatte er nicht getan.
LuEllen fand seinen Wagen fünfzehn Minuten nach dem Beginn unserer Suche. Mein Walkie-Talkie piepste, ich meldete mich mit »Ja?«, und sie sagte nur: »Ich hab’ ihn!«
Wir fuhren zu einem Shoppingcenter in der King Street und holten uns Hühnchen-Sandwiches. »Wir könnten ihm einfach den Revolver ins Ohr stecken und drohen, auf den Abzug zu drücken, falls er den Laptop nicht rausrückt«, sagte LuEllen.
»Das Problem dabei wäre, dass wir nahe genug an ihn rankommen müssten, und wenn wir das geschafft hätten, müssten wir ihn vielleicht erschießen. Er hat schließlich eine Waffe. Und was ist, wenn er den Laptop dann nicht dabeihat?«
»Wir würden es nur versuchen, wenn wir uns überzeugt haben, dass er den Laptop tatsächlich dabeihat …«
»Zu viele Fenster blicken auf uns herab, zu viele Mütter spazieren auf der Straße herum.« Ich schüttelte den Kopf. »Lass uns erst einmal den anderen Weg einschlagen und unseren Vorteil ausnutzen – wir wissen, dass Carp Lemon ist. Wenn das fehlschlägt, wissen wir immerhin, wo er sich aufhält.«
»Einfache Wege sind meistens die besten. Dieser ist nicht einfach.«
»Hier in dem verdammten Washington ist nichts einfach.«
»Ja, ja«, grunzte sie. »Iss dein Sandwich auf. Und dann werfen wir mal einen Blick auf Krauses Haus.«
Krause wohnte, seinem Stand angemessen, in einer grünen Umgebung nordwestlich von Washington, schräg gegenüber dem »Burning Tree Country Club« an der I-495. Der Eingang des Clubhauses lag fünf Minuten Fahrzeit von seinem Haus entfernt. Die Gegend ringsum war hügelig und bewaldet,
die wenig befahrenen Straßen befanden sich in bestem Zustand und führten kurvenreich durch die Landschaft. Sein Haus lag ein Stück abseits der Straße; eine etwa dreißig Meter lange, schwarz geteerte Zufahrt führte zu einer Garage für drei Autos.
»Wann?«, fragte LuEllen.
»Heute Abend«, antwortete ich.
»Woher wissen wir, ob er zu Hause ist?«
»Es ist Sonntag. Er könnte natürlich beim Golfspielen sein und später ein paar Freunde zu sich eingeladen haben, aber zwischendrin ist er bestimmt zu Hause, am ehesten wohl so um sechs oder sieben. Dinner-Zeit.«
»Wie wär’s mit einem FedEx-Outfit? Als Zusteller eines Paketdienstes kommst du vielleicht an ihn ran.«
»Gute Idee, wir basteln uns ein Hemd und eine Mütze zusammen.«
»Jemand könnte dein Gesicht sehen.«
»Das muss ich in Kauf nehmen.«
LuEllen seufzte: »Mein Angstfieber-Thermometer ist gerade auf vierzig Grad hochgeschnellt.«
Es dauerte einige Zeit, bis wir die komplizierten Einzelheiten unseres Plans durchgesprochen hatten, aber die Umsetzung in die Realität ging ziemlich schnell vonstatten. Wir mussten sehr rasch sehr nahe an Krause herankommen und durften ihn dabei nicht erschrecken. Wenn uns das gelungen war, hatte er keine andere Chance, als mit uns zu reden – aber es ist immer eine unsichere Sache, ob man es schafft, auf Gesprächsdistanz an einen hochrangigen Washingtoner Politiker heranzukommen.
Wir fuhren zur Stadtmitte und holten uns in einem FedEx-Laden eine FedEx-Paketschachtel, mehrere kleinere Kartons mit Aufdruck sowie ein paar größere Transportbeutel aus
Leinen. Dann hielten wir an einem Laden für Künstlerbedarf an und kauften eine Dose schwarzer Posterfarbe, einen Wasserfarbenpinsel und ein Papiermesser. In einem Kaufhaus erstand ich ein schwarzes Golfhemd und in einem Sportladen zwei Häuser weiter eine schwarze
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