Todesspiel
sich vor einer Stunde aus Brasilien zufaxen lassen. Auf dem Foto standen Rubens und Cizinio in schlecht sitzenden grauen Anzügen zwischen Esten und Kuwaitis nebeneinander. Rubens wirkte stolz.
„Haben Sie schon die Nachrichten gehört?“, fragte Nestor ironisch. „Das FBI hat in Österreich ein Bankkonto gefunden, das einem der verschwundenen Marshals gehört.“
Cizinio erinnerte sich an insgesamt drei Tote – die beiden Marshals und den Typen aus El Salvador –, die sie gefesselt auf offenem Meer aus einem Schnellboot geworfen hatten. Den Wagen der Marshals hatten sie zu einer Schrottpresse gebracht und die Reifenspuren des SUV sorgfältig verwischt.
Marshal Kukulka hatte nichts davon gewusst, dass auf seinen Namen ein Konto eröffnet worden war.
Jack sagte: „Das Geld, das aus Islamabad stammte, wurde offenbar von einer bolivianischen Bank telegrafisch überwiesen. Dort endet die Spur. Das FBI hält Kukulka für die undichte Stelle. Sie haben also ein bisschen Zeit, um diesen Rubens zu finden.“
„Wenn Rubens sich einmal was in den Kopf setzt, gibt er nicht auf, bis er es erreicht hat. Ich nehme an, dass er seine Tochter bei sich hat.“ Nestors Reaktion verblüffte ihn. Er war sich ganz sicher, dass er sich weder seine Wut noch seine Eifersucht hatte anmerken lassen. Dennoch brachte Nestor spontan Mitgefühl zum Ausdruck. Er legte Cizinio beide Hände auf die Schultern. So hatte sein Vater ihn nie angesehen. So beunruhigt der Padrone auch sein mochte, hatte er Cizinio wieder einmal deutlich gezeigt, dass er ihn wertschätzte. Das war der Grund für Cizinios Loyalität. Nicht das Geld, die Reisen oder die Frauen.
„Glauben Sie“, fragte Nestor, „dass Rubens in Evans’ Haus eingedrungen ist, um zu tun, was Sie getan haben?“
Cizinio überlegte. „Wenn er Evans hätte töten wollen, hätte er das auf der Straße tun können. Warum sollte er sich die Mühe machen, in sein Haus einzudringen? Außerdem hat der Putzmann ausgesagt, Rubens hätte sich speziell nach dem Arbeitszimmer erkundigt. Ob dort Akten aufbewahrt würden oder Fotos.“
„Aber Sie haben diese Dinge alle gesichert, oder?“
„Ich weiß nicht, was er gehört oder gesehen hat.“
Unten auf der Plaza spielte eine Country-Band „In the Mood“. Einige Leute tanzten Jitterbug. Während der Pause verfolgten die zahlenden Opernbesucher von den Balkonen aus das Gratiskonzert. Cizinio sah einen Mann mit einer Frisur wie Einstein, der für sich allein tanzte. Alte Männer tanzten mit jungen Frauen. Mütter tanzten mit Kindern. Alle lächelten. Aber Nestor lächelte nicht. Nestor wollte etwas von ihm hören.
„Wenn er Estrella mitgebracht hat“, sagte Cizinio, „wird er sich unter Brasilianern einquartiert haben, um ihr eine vertraute Umgebung zu schaffen. Wir lassen Leute mit einem Foto von ihm durch brasilianische Viertel gehen. Ich habe Unterstützung angefordert.“
„Warum sollte er nicht einfach untertauchen?“
Cizinio erinnerte sich an eine Begebenheit aus seiner Teenagerzeit. Rubens, vierzehn Jahre alt, mit einem Stock bewaffnet und umringt von Cizinios Freunden, lauter Polizeikadetten. Sie hatten Rubens in eine Gasse gedrängt, und trotzdem gab er nicht auf. Er war nicht bereit, sich von Rosa fernzuhalten.
„Er weiß nicht, dass wir ein Foto von ihm haben, deswegen wird er annehmen, er hätte Zeit. Er hat sich stundenlang in Evans’ Haus umgesehen. Ich glaube, er war dort, um rauszufinden, was Evans im Schilde führte. Einen anderen Grund für seine Anwesenheit in dem Haus kann ich mir nicht vorstellen.“
„Vielleicht wünschen Sie sich auch nur, dass er noch hier ist.“
Cizinio packte die blanke Wut bei dem Gedanken, dass Rubens ihm schon wieder entwischt sein könnte.
„Allerdings, Padrone. Und ich werde ihn finden.“
Im Foyer blinkten die Lichter. Die Pause war zu Ende. Der große Hampton setzte sein Konzert fort.
„Cizinio, Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Ärger ich seit drei Tagen habe und wie viel einige Leute gelitten haben, bloß weil Sie nicht in dem Wandschrank nachgesehen haben.“
Cizinio ließ den Kopf hängen. Er fand es schrecklich, Jack zu enttäuschen.
Plötzlich tauchte Tina auf und zog einen Schmollmund. „Arnaldo sagt, du ignorierst ihn, Jack!“
Die beiden gingen Arm in Arm zu dem Architekten hinüber. Cizinio brauchte Bewegung. Ich werde mir auf der Plaza ein bisschen die Beine vertreten, dachte er. Hmm. Kommt der Mann da unten mir bekannt vor?
Es funktioniert
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