Todesspiel
sondern Neto.«
»Bring mir das Foto.«
»Sie haben nur diesen einen Abzug.«
»Dann biete ihnen Geld an.«
»Sie wollen es nicht rausrücken.«
»Ich muss das verdammte Foto mit eigenen Augen sehen, um einen Irrtum auszuschließen.«
»Dazu müssen Sie herkommen, sagen sie.«
Fluchend ging Cizinio zu seinem Wagen und fuhr Richtung Manhattan. Die Flatbush Avenue war überflutet. Das aufgewühlte Wasser bildete dreißig Zentimeter hohe Wellen und blockierte die Fahrspuren. Der SUV ließ Fontänen aufspritzen, während Cizinio um liegengebliebene Autos herummanövrierte. Aber als er das Restaurant betrat und das Foto sah, war sein Ärger augenblicklich verflogen. Sein Herz begann zu klopfen wie der Dieselmotor einer Draga.
»Haben Sie vielleicht seine Adresse?«, fragte er den Geschäftsführer.
»Die haben wir längst weggeworfen. Das ist zwei Jahre her.«
»Hat denn irgendjemand hier Kontakt zu ihm gehalten?«
»Nein. Aber seine Tochter lebt auch hier.«
»Seine Mutter wäre überglücklich, wenn sich jemand erinnern könnte, wo sie wohnen.« Cizinio zückte seine dicke Brieftasche.
Mit einem Blick auf die Scheine meinte der Geschäftsführer, er solle es doch mal in Flushing versuchen. Er sei sich sicher, dass Rubens vor zwei Jahren in Queens gewohnt habe. »Ich erinnere mich, dass er immer die 7er-Bahn genommen hat, denn ich bin einmal mit ihm zusammen gefahren. Moment mal, war es die 7 oder war es die umgeleitete Linie N an dem Tag? Wohin er genau gefahren ist, kann ich nicht sagen.«
Draußen regnete es immer noch in Strömen, gleichmäßig, ohne Hoffnung auf ein Ende.
Über sein Handy rief Cizinio seine Truppen zusammen.
»Alle nach Queens! Wir werden die brasilianischen Viertel Block für Block absuchen.«
»Ich glaube, es wird allmählich Zeit, dass du mir erzählst, was in dem Haus vorgefallen ist, Rubens«, sagte Tommy leise. »Meinst du nicht auch?«
Sie fuhren über den Franklin D. Roosevelt Drive in südlicher Richtung zurück zu dem Gebäude, in dem die Nestor-Gruppe ihre Hauptgeschäftsstelle hatte. Es herrschte nur wenig Verkehr. Über den Hochhäusern in Midtown, am East River und über dem UN-Gebäude ballten sich dichte Regenwolken. Es goss wie aus Kübeln.
Das Radio war auf einen Nachrichtensender eingestellt, aber seit sie Bedford Hills verlassen hatten, war über den Fall Evans nichts mehr gebracht worden. Beim Anblick von Rubens’ Gesicht, als der ins Auto gestiegen war, hatte Tommy zunächst keine Fragen gestellt. Bis vor fünf Minuten waren sie schweigend gefahren. Dann hatte Tommys Handy geklingelt. Es war der sehnsüchtig erwartete Anruf aus Indien.
»Hari hat eine Menge über Jack Nestor rausgefunden«, sagte Tommy, nachdem er die Verbindung beendet hatte.
Rubens hörte aufmerksam zu.
»Er besitzt ein Penthouse im siebenundvierzigsten Stock eines Luxusgebäudes in der Nähe des Lincoln Center. Was sagst du dazu?«
Rubens musste ständig daran denken, wie De’Artes Gehirnmasse in grau-roten Fetzen von der Wand getropft war.
»Rubens, das ist ein 10-Millionen-Dollar-Apartment. Außerdem besitzt er ein Schloss in Frankreich und eine kleine Insel der Bahamas. Zwei Firmenflugzeuge stehen ihm zur Verfügung, eins am Westchester Airport, eins in Teeterboro. Übrigens darfst du ruhig ein paar menschliche Reaktionen zeigen.«
»Was sonst hat Hari noch über Jack Nestor gesagt?«
»Er gibt gern damit an, dass er aus armen Verhältnissen stammt, aber das ist gelogen. Er war ein Kind aus der Mittelschicht, Vater Ingenieur, Mutter Lehrerin. Er ist behütet aufgewachsen, war aber von Anfang an das schwarze Schaf der Familie. Sein Jugendstrafregister ist unter Verschluss, aber Hari ist es gelungen, alte Stadtteilzeitungen von Long Island auszugraben. Mit fünfzehn wurde er wegen Einbruchdiebstählen verhaftet, die er zwar nicht selbst begangen, aber organisiert hat. Er hat andere Jugendliche die Drecksarbeit für sich machen lassen. Die Zeugen haben ihre Aussagen später widerrufen. Anzeigen wurden fallen gelassen. Nach einem hervorragenden Schulabschluss ist er nach Princeton gegangen. Dort wurde er von jemandem des Betrugs beschuldigt, der den Vorwurf jedoch später widerrief. An der Wharton Business School hat Nestor seine erste Frau kennengelernt und in eine reiche Familie eingeheiratet. Die Frau ist ein Jahr später bei einer Bootsexplosion auf den Bahamas ums Leben gekommen.
Angeblich ein Unfall. Nestor war nicht dabei. Er hat zwanzig Millionen geerbt, und von da an
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