Todesspiele
er sich das Geräusch nur eingebildet hatte. Es war schon vorgekommen, dass in seinen Träumen jemand weinte.
Doch diese Schluchzer war echt. Er hörte es wieder, gedämpft und leise. Lautlos trat er an seine Schlafzimmertür heran, die einen Spalt offenstand, spähte hinein und fühlte sich wie ein elender Mistkerl. Susannah, die in einem seiner Sweatshirts fast vollständig verschwand, saß auf dem Boden und hielt Borensons hässliche Bulldogge im Arm. Ihre Schultern zuckten, während sie weinte, und mit zwei Schritten war er bei ihr, nahm sie auf die Arme und setzte sich mit ihr aufs Bett.
Er hatte geglaubt, dass sie sich sträuben würde, aber stattdessen packte sie sein Hemd und klammerte sich an ihn, wie sie es getan hatte, als er sie am Abend vor der Ambulanz im Arm gehalten hatte.
Er schob ihr seine Hand in den Nacken und durch die Haare und umfasste ihren Hinterkopf. Nach einer Weile wurde ihr Schluchzen zu einem Schniefen, und sie beruhigte sich. Schließlich wollte sie von ihm abrücken, aber er ließ sie nicht. »Bleib einfach da und ruh dich aus«, sagte er leise.
»Ich habe heute mehr geheult als in meinem ganzen Leben«, brachte sie mit einem angedeuteten Lächeln hervor. »Meine Schwester Demi sagt immer, Weinen tut gut. Du müsstest dich also eigentlich großartig fühlen.« Er küsste sie auf den Scheitel. »Warum hast du geweint?« »Wegen des Anrufs vom Krankenhaus. Die Testergebnisse.«
Er brauchte einen Moment, bis er begriff, doch dann wurde ihm eiskalt. Das Blut des unbekannten Mädchens, er und Susannah waren damit in Kontakt gekommen. Ihre HIV-Tests. »Positiv?«, fragte er so neutral, wie er konnte. Sie wich ein Stück zurück, die Augen geweitet. »Nein, negativ. Ich dachte, du hättest den Anruf auch bekommen.« »Wenn ja, dann ist er auf der Mailbox gelandet.« Er stieß den Atem aus. »Himmel. Hast du mir einen Schrecken eingejagt.«
»Tut mir leid. Ich dachte, du seiest wegen des Anrufs wach geworden.«
»Ich bin wach, weil ich dich weinen gehört habe. Also, der Test ist negativ. Wir haben nichts. Warum die Tränen?« Sie hob die Schultern. »Schwer zu erklären.« »Versuch's«, sagte er trocken.
Sie wich seinem Blick aus. »Du bist ein sehr netter Mann.«
Luke zog die Brauen hoch. »Und deswegen weinst du dir die Augen aus? Das verstehe ich nicht.« »Ich versuche ja, es zu erklären. Es ist nur so, dass ... dass du der erste Mann bist, der sich um mich kümmern will. Der erste anständige Mann. Du bist lieb und interessant, klug und einfühlsam ...«
»Und gutaussehend?«, schlug er vor. »Und sündhaft sexy?«
Sie lachte, wie er es sich erhofft hatte. »Ja.« Doch schon verblasste das Lächeln wieder. »Jede Frau wäre geschmeichelt von deinem Interesse an ihr.« Sie zuckte mit den Schultern. »Oder ebenfalls interessiert.« »Oder würde sich zu mir hingezogen fühlen?« Sie senkte die Augen. »Ja. Als ich also eben den Anruf vom Krankenhaus bekam, war mein erster Gedanke: >Hey, ich werde also nicht sterben.< Und mein zweiter: >Hey, jetzt kann ich Luke haben.<« Er räusperte sich. »Definiere >haben<.«
Sie seufzte. »Du weißt, was ich meine. Aber es geht nicht.«
»Wegen deiner sündigen Vergangenheit? Susannah, dafür, dass du eine kluge Frau bist, ziehst du in diesem Fall den schwachsinnigsten Schluss, den ich je gehört habe.«
Sie presste die Zähne zusammen. »Das ist nicht schwachsinnig.«
»Okay, aber zumindest nicht clever«, sagte er, der Verzweiflung nah. »Falls ein Vergewaltigungsopfer mit einer solchen Story zu dir käme, würdest du die Frau ohrfeigen und sofort in eine Therapie schicken, und das weißt du auch.«
»Ich würde niemanden ohrfeigen.«
»Na gut, aber du würdest ihr sagen, sie soll endlich zu leben beginnen. Du schleppst eine Schuld mit dir herum, die du nicht verdient hast.«
Sie war einen Moment lang still. »Es ist nicht nur die Schuld.«
»Was dann?«
»Ich kann's nicht tun«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
»Natürlich kannst du. Erzähl's mir. Ich bin einfühlsam und nett.«
»Ich kann es nicht tun. Sex«, fauchte sie. Dann schloss sie die Augen. »Mein Gott, das ist ...peinlich.« Luke wich mental zurück, kam dann aber zurückgeschlichen. »Gibt es ein ... körperliches Problem?« »Nein!« Sie presste sich die Hände auf die Augen. »Jetzt lass mich bitte los.«
»Nein. Sag's mir. Du willst mich, das hast du gerade praktisch zugegeben. Ist es denn nicht wünschenswert, das Problem, das du hast, zu lösen, so
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