Todesspiele
Garth war verhaftet worden, man hatte die Konten eingefroren, und was wird jetzt bloß aus mir? Marianne hatte den Köder gleich mit Haken und Schwimmer geschluckt. Und die Aussicht auf ein Exklusivinterview hatte ihre selbstlose Hilfsbereitschaft sicher nicht geschmälert.
GBI-Agent Talia Scott ging am Tisch auf der Bühne entlang und reichte jeder Frau, die dort saß, die Hand. Sie blieb bei Susannah stehen und sprach mit ihr, und Susannah nickte resolut. Scott trat zur Seite, und Gretchen French zog ihr Mikrofon näher heran. Gretchen räusperte sich. »Guten Tag. Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind.« Die Gespräche erstarben rasch, und alle Blicke richteten sich auf die Bühne. »Wir sind sechs von sechzehn Frauen, die von einer Gruppe Männer vergewaltigt wurden. Die Medien haben diese Gruppe >Richie Rieh Rapists< getauft, aber bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass dieser Fall für uns sechs, die wir hier oben sitzen, nichts Komisches hat. Oder für die sieben Frauen, die ihre Gründe hatten, hier heute nicht zu erscheinen. Oder auch für die drei, die heute nicht mehr leben. Es war und ist nicht lustig. Es hat nichts von einer Kinokomödie. Es ist uns geschehen und war nur allzu real.« Einige Reporter sahen tatsächlich betreten zur Seite. Schau an, Gretchen ist gut, dachte Bobby.
»Wir waren sechzehn«, fuhr Gretchen fort, »und wir wurden von Jungen vergewaltigt, die kaum älter waren als wir. Sie nutzten unsere Angst und unsere Scham, um dafür zu sorgen, dass wir schwiegen. Keine von uns wusste, dass es andere gab. Hätten wir das gewusst, hätten wir damals schon geredet. Jetzt aber tun wir es. Wir hören uns Ihre Fragen an, werden uns allerdings die Freiheit nehmen, nicht jede zu beantworten.«
Und zu einer solchen Situation würde es bald schon kommen. Ein anonymer Anruf hatte dafür gesorgt, dass ein Reporter vom Journal, der bekannt dafür war, dass er gern die Grenzen des guten Geschmacks überschritt, mit den notwendigen Hintergrundinformationen versorgt war. Seine Fragen würden genau den Aufruhr erzeugen, den Bobby zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Unauffällig schob sie sich durch die Menge zu einer Stelle, von der aus sie ungehindert schießen konnte. Sie plante drei Treffer. Der erste würde Gretchen French den Garaus machen und ein Chaos auslösen. Der zweite würde die liebe kleine Susannah erledigen. Und die dritte Kugel schenke ich dem armen Kerl, der gerade neben mir steht. Die Panik würde eine regelrechte Stampede erzeugen, in der Bobby problemlos untertauchen konnte. Diese Strategie hatte schon einmal funktioniert, und Bobby glaubte fest daran, dass man bewährte Strategien nicht ändern sollte. Sie warf einen Blick über die Menge. Der Reporter, den sie angerufen hatte, saß in der dritten Reihe. In seinen Augen lag ein gieriger Glanz, als wartete er nur auf den richtigen Augenblick, um endlich zuschlagen zu können. Und das tue ich auch.
Susannah war ruhig. Erstaunlich ruhig. Sie blickte in das Meer von Gesichtern und wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie wusste auch, dass das Getu-schel begonnen hatte, sobald sie auf der Bühne erschienen war. Die Presse hatte gewusst, dass sich die Opfer öffentlich äußern würden. Aber niemand hatte gewusst, dass sie zu den Opfern gehörte. Nun, jetzt wussten es alle. Man hatte sie augenblicklich erkannt, und die prompte Folge war ein Summen von menschlichen Stimmen und Kleinelektronik gewesen, als BlackBerrys und Handys gezückt wurden, um dieses saftige Stück Klatsch sofort an die Redaktionen weiterzugeben.
Natürlich war auch Marianne Woolf in Vertretung ihres Mannes, des Inhabers der Dutton Review, gekommen. Die Fotos von Kates Tod auf Sheila Cunninghams Beerdigung hatten heute auf der Titelseite geprangt. Susannah nahm an, dass ihr Bild morgen ebenfalls unter den Titelfotos zu finden sein würde.
Auch Luke war da. Er stand weit hinten im Raum und sah sich wachsam um. Sie und die fünf anderen Opfer waren durch eine Hintertür hineingebracht worden, um dem Gedränge zu entgehen, aber alle anderen Personen im Raum hatten durch eine Sicherheitsschleuse gehen müssen. Das GBl ging kein Risiko ein. Dennoch würde sich Luke, wie sie wusste, jede Person und ihr Verhalten genau ansehen. Es war tröstend zu wissen, dass er auf sie aufpasste.
Talia war an den Tisch gekommen und hatte jeder Frau ein paar aufmunternde Worte gesagt. Bei Susannah war sie stehen geblieben, um sie noch einmal zu fragen, ob sie sich
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