Todesspiele
hinaus und warf die Eingangstür so fest zu, dass die Wände bebten.
Susannah starrte ihm schockiert nach. Mrs. Linton blieb sitzen, ob nun freiwillig oder weil sie zu sehr zitterte, um die Besucher ebenfalls allein zu lassen. »Mrs. Linton«, sagte Talia. »Welche Verbindung gab es zwischen Ihrer Tochter und Richter Vartanian? Bevor wir herkamen, habe ich natürlich Erkundigungen eingezogen. Wir haben keine Verhaftung, keine Anhörung, keinen Gerichtstermin gefunden.«
»Sie war minderjährig«, sagte Mrs. Linton tonlos. »Ihre Akte ist versiegelt.«
»Wie lautete die Anklage?«
Mrs.Lintons Augen blitzten auf. »Kontaktanbahnung. Aber sie war unschuldig. Sie war eine außergewöhnlich gute und engagierte Schülerin. Sie hat jüngere Kinder nach der Schule betreut. Ihre Lehrer meinten, dass sie für jedes beliebige College ein Stipendium bekommen könnte. Aber ihr Leben wurde ruiniert, weil man sie verhaftete und wir es uns nicht leisten konnten, ihr das Gefängnis zu ersparen.« Talia runzelte die Stirn. »Kontaktanbahnung? Sie meinen Prostitution?«
»Ja«, erwiderte Mrs. Linton verbittert. »Genau das meine ich. Sie musste sechs Monate lang in einer Jugendstrafanstalt einsitzen. Weniger konnten wir uns nicht leisten.«
Ein eisiger Schauder lief Susannah über den Rücken. »Was meinen Sie damit? Dass Sie sich nicht weniger leisten konnten?«
»Weniger Zeit«, spuckte Mrs. Linton aus. »Ihr Vater hatte sie zu zwei Jahren verurteilt. Sie war erst sechzehn. Richter Vartanian verlangte Geld! Wir haben unser Haus mit einer Hypothek belastet, aber es reichte Ihrem Vater nicht. Er sagte, sie müsse trotzdem ein Jahr ins Gefängnis.« Susannah warf Talia einen erschütterten Blick zu. Sie hatte damals geahnt, dass so etwas geschah, hatte gewusst, dass ihr Vater illegale Geschäfte tätigte, aber sie war zu jung zum Handeln gewesen. Nun sah sie zum ersten Mal die direkten Auswirkungen jener »Geschäfte«, mit denen ihr Vater das Familienvermögen gemehrt hatte. Nein. Ich sehe die Auswirkungen schon seit sechs Jahren. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe und Darcy in ihrem eigenen Blut liegen sehe.
Talia tätschelte ihre Hand, blieb aber ganz auf Darcys Mutter konzentriert. »Mrs. Linton, es ist sehr wichtig. Sie sagten, sie sei zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, aber Sie hätten dem Richter genug gezahlt, um das Urteil um ein Jahr zu reduzieren. Dennoch hat sie nur ein halbes Jahr abgesessen. Was ist passiert?«
Mrs. Linton musterte Susannah unsicher. »Jemand in der Abteilung für Jugendstrafrecht half ihr. Sie bekam einen neuen Prozess, einen anderen Richter. Er sagte, sie habe genug Zeit abgesessen, und ließ sie gehen.« »Wer war der Richter, Mrs. Linton?«, fragte Susannah, obwohl sie die Antwort schon wusste. »Richter Borenson. Er ist inzwischen pensioniert.« Talia stieß geräuschvoll den Atem aus. »Wann kam es zu diesem zweiten Prozess, Ma'am?« »Vor fast dreizehn Jahren.«
Es war wie ein Tritt in die Rippen. »Das kann kein Zufall sein«, flüsterte Susannah.
»Kaum«, stimmte Talia zu. »Mrs.Linton. Wer hat Ihrer Tochter dabei geholfen, den Prozess wieder aufzurollen?« »Ein Anwalt von Legal Aid.« Die staatliche Rechtsbeihilfe für Leute, die sich selbst keinen Beistand leisten konnten. Mrs.Linton sah von Talia zu Susannah. »Ein anderer als der, der uns beim erste Mal half. Er hieß Alderman.« Susannah schloss die Augen. »Und er hat Gary Fulmore vertreten.«
»Kurz nachdem er Marcy freibekommen hat, ist er gestorben«, erklärte Mrs. Linton. »Er hatte einen Autounfall.« »Mrs. Linton«, sagte Talia. »Waren noch andere Leute an diesem zweiten Prozess beteiligt?«
»Nein, ich glaube nicht. Aber ich müsste meinen Mann fragen. Er wird sicher bald zurückkommen. Er muss immer raus an die frische Luft, wenn er wegen Marcy wütend wird.«
»Vielen Dank«, sagte Talia. »Hier ist meine Karte. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie sich an etwas erinnern, egal, wie unbedeutend es Ihnen erscheinen mag. Wir finden allein hinaus.«
Susannah ging hinter Talia her, als Mrs. Linton ihren Namen sagte. »Ja, Ma'am?«
»Vielen Dank«, sagte die andere Frau heiser. »Dass Sie meine Tochter an einem hübschen Ort begraben haben.« Susannas wurde die Kehle eng. »Gern geschehen. Ich sorge dafür, dass sie hierhergebracht wird. Lassen Sie mich wissen, wo sie begraben werden soll.« Susannah wartete darauf, dass Talia den Motor startete. Sie war sich bewusst, dass Mrs.Linton sie vom Fenster aus
Weitere Kostenlose Bücher