Todesspur
rumänischen Kinderheim. Knapp zwei Jahre nach der Adoption wurde Constanze überraschend doch noch schwanger, mit Olaf.«
Völxen und Oda tauschen einen Blick. »Interessant«, findet Oda. »Haben Sie damals auch schon nebeneinander gewohnt?«
Julian Tiefenbach antwortet: »Wir sind aus Berlin hierhergezogen, da war Ruben gerade drei. Die Döhrings wohnen schon länger da, es ist ja Constanzes Elternhaus.«
»Constanze hat mir erst einige Jahre später von der Adoption erzählt, da war Olaf schon lange auf der Welt«, berichtet Frau Tiefenbach. »Aber ich hatte es mir schon fast gedacht, so, wie der aus der Art schlägt.«
»Und Olaf? Wie war der so?«, fragt Völxen.
Luis’ Mutter zuckt mit den Schultern und murmelt: »Ganz anders. Höflich, umgänglich. Gut in der Schule, sehr gut sogar. Hat eine Klasse übersprungen.« Völxen nippt an dem Tee, der besser schmeckt, als er riecht. »Und Sie, Frau Tiefenbach? Wie haben Sie eigentlich den Sonntagabend verbracht?«
»Ich habe gestrickt, nebenbei ein Hörspiel im Radio gehört, und dabei Emmi beobachtet. Um halb elf bin ich ins Bett gegangen, als ich sicher war, dass sie nicht noch einmal brechen wird.«
»Sie waren abends nicht mit ihr Gassi?«, fragt Oda.
»Nein. Ich war froh, dass sie so ruhig schlief.«
»War drüben bei den Döhrings noch Licht?«
»Darauf habe ich nicht geachtet. Das Wohnzimmer geht nach hinten raus, und ich war ja nicht im Garten.«
»Ist Ihnen sonst irgendwas aufgefallen?«
»Nein.«
»Und wo war Luis?«, erkundigt sich Oda.
»Die meiste Zeit in seinem Zimmer. Er wollte noch was am Computer für die Schule machen. Ab und zu kam er runter und hat nach Emmi gesehen.«
Wie auf sein Stichwort kommt Luis in die Küche und wirft den Beamten einen scheuen Blick zu. Der Hund hatte offenbar keine Lust mehr, dem Ball hinterherzulaufen, er hat sich dem Rosenbeet vor der Terrasse zugewandt und gräbt es um.
»Essen ist gleich fertig«, informiert Frau Tiefenbach ihren Sohn. »Hast du Hunger?«
Luis nickt abwesend, und seine Mutter sieht die Besucher auffordernd an. Die beiden erheben sich von den Stühlen, aber Oda ist noch nicht fertig. »Ein paar Fragen hätte ich noch an Luis.« Sie wendet sich, ohne die Erlaubnis der Eltern abzuwarten, an den Jungen: »Luis, kannst du von deinem Zimmer aus in Olafs Zimmer sehen?«
Luis lehnt am Kühlschrank und nickt. »Aber nur wenn Licht an ist und der Rollladen nicht zu ist.«
»Wie lange war da gestern Abend noch Licht?«
»Weiß ich nicht«, kommt es zögernd. Luis sieht bei dieser Antwort nicht die Polizisten, sondern seine Eltern an.
»Denk nach!«, drängt Oda.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht war auch gar kein Licht an. Ich habe nicht darauf geachtet.«
»Ist dir gestern Abend sonst was aufgefallen?«, fragt Völxen.
»Nö.«
»Hast du vielleicht mit Olaf telefoniert oder gechattet?«
»Nö.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Weiß ich nicht genau. Vielleicht am Samstag?« Wieder huschen seine Augen zwischen Vater und Mutter hin und her. Sein Vater lächelt ihm aufmunternd zu. Der Backofen piept.
»Ich glaube, es reicht jetzt«, sagt Olivia Tiefenbach entschlossen und legt ihre schmale, knochige Hand auf die Schulter ihres Sohnes. »Luis muss das erst mal verdauen, das verstehen Sie doch, oder?«
»Dann wünsche ich mal guten Appetit«, entgegnet Oda und wendet sich zum Gehen. Als sie und ihr Chef die Einfahrt vor der Doppelgarage überqueren, murmelt sie: »Noch so eine Übermutter, ich krieg gleich das Kotzen.«
»Bin ich froh, dass Sabine nie so war. Oder merkt man es selbst gar nicht?«
»Kann sein«, antwortet Oda und zündet sich einen Zigarillo an. »Aber ich war ganz bestimmt nie so.« Sie nimmt einen tiefen Zug und meint dann: »Was hältst du vom ältesten Mordmotiv der Welt – Brudermord?«
»Stiefbrudermord, in dem Fall. Ja, gut möglich«, brummt Völxen. »Dieser Ruben scheint ja ein kleiner Soziopath zu sein. Den knöpfen wir uns heute nochmals gründlich auf der Dienststelle vor.«
»Au ja. Lass ihn mir«, bittet Oda.
Sie sind vor ihrem altem Golf angekommen, aber Oda muss erst noch ihren Zigarillo fertig rauchen. Völxen nutzt die Zeit und überprüft sein Handy, das er während der Befragung auf lautlos gestellt hat. Zwei entgangene Anrufe. Einer von Jule Wedekin, einer vom LKA . Er ruft Jule zurück und hört sich ihre Kurzfassung der Ergebnisse von Dr. Bächles Obduktion an. Über den Lautsprecher lässt er Oda mithören.
»Und der Herr
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