Todesspur
Stella will nicht einsehen, dass sich ihre Karriere dem Ende zuneigt. Noch nicht.
Niko kennt das, das war bei ihm selbst ganz ähnlich. In jungen Jahren hat er gut verdient, damals ist er als Koch zur See gefahren. Mit dem mexikanischen Restaurant, das er später eröffnet hat, ist er allerdings pleitegegangen. Danach hatte er jahrelang einen gut bezahlten Job als Türsteher und Rausschmeißer im Steintorviertel. Doch Ende der Neunziger wurden diese Posten nach und nach von den Mitgliedern der Hells Angels besetzt, deren Chef bis heute das Sagen in Hannovers Rotlichtbezirk hat. Der Obrigkeit sind die Angels am Steintor zwar ein steter Dorn im Auge, aber ihnen im Endeffekt immer noch lieber als die Russenmafia oder die Albaner. In manchen Dingen herrscht in dieser Stadt ein erstaunlicher Pragmatismus, stellt Niko immer wieder belustigt fest. Er selbst arrangierte sich damals ebenfalls mit ›Frankie‹ und wurde Mädchen für alles in einem der Puffs. Zur selben Zeit etwa lernte er Stella kennen. Damals war sie noch gut im Rennen, da rauchte der Bordstein. »Am Anfang hat die mich kaum mit’m Arsch angeguckt«, schwärmt er noch heute vor seinen Kumpels am Kiosk. Vor zwei Jahren hat Niko seine Frührente beantragt und sich quasi zur Ruhe gesetzt. Ein Mann muss wissen, wann es genug ist.
Niko ist klar, dass Stella inzwischen kaum noch Kundschaft hat bis auf ein paar ganz wenige alte Stammkunden, Viagra sei Dank. Tritt dieser Fall ein, zahlt sie einer der schwarzen Nutten, die überm Rocker arbeiten, einen Zehner unter der Hand für die Zimmerbenutzung. Aber an den meisten Abenden muss sie dieses Arrangement gar nicht in Anspruch nehmen und gibt sich stattdessen eine Etage tiefer die Kante.
Stella isst zwar nicht viel und kauft sich auch schon lange keine neuen Klamotten mehr, aber ihr Konsum an Schnaps und Zigaretten geht ganz schön ins Geld. Ab und zu erledigt Niko deshalb noch den einen oder anderen Job für einen russischen Geschäftsmann. Genaueres darüber lässt er Stella gegenüber nicht raus. Weiber quatschen nun mal gerne, und was das Geschäftliche angeht, da hat er seine Prinzipien.
Sein Kumpel Sepp-Dieter von der Zulassungsstelle hat ihm bereits heute Mittag Name und Adresse des Fahrzeughalters genannt, dessen Kennzeichen sich Stella gemerkt hatte. Wie immer tat ihm sein Freund den Gefallen, ohne Fragen zu stellen. Dafür wird Niko ihm demnächst ein Fläschchen Baileys vorbeibringen, auf so Mädchenkram steht der nämlich. Die Angaben seines Freundes finden sich sogar prompt in dem drei Jahre alten Telefonbuch wieder, das zerfleddert und beschmiert in der Zelle liegt. Ein Telefonbucheintrag ist ja heutzutage auch schon eine Seltenheit, genauso wie ein halbwegs vollständiges Telefonbuch in einer öffentlichen Zelle – von denen es auch kaum noch welche gibt. Niko nimmt es als gutes Omen.
Er hat Glück, es meldet sich sofort eine Männerstimme. Natürlich tut der Typ erst mal so, als wüsste er nicht, worum es geht. Wer sind Sie? – Was wollen Sie? – Das muss ein Irrtum sein. – Hab mit Nutten nichts zu tun … Die alte Leier, war ja klar. Das versuchen solche Scheißkerle immer. Aber als Niko dem Mann die Autonummer seines Wagens nennt, dazu Zeit und Ort seiner Verfehlung, und auch noch erwähnt, dass er wisse, wo der feine Herr wohne, kehrt das Gedächtnis des Mannes schlagartig zurück. Und dazu eine Scheißangst, das ist deutlich zu hören. Die Gunst der Stunde nutzend, verlangt Niko nicht nur die Aufwandsentschädigung für die Dienstleistung seiner Lebensgefährtin, sondern packt noch einen gehörigen Aufschlag als Schweigegeld obendrauf. Irgendwie hat er das Gefühl, dass da was zu holen ist. Die Stimme klingt nach Geld. Einen Tausender sollte dem Herrn Nikos Diskretion schon wert sein. Daraufhin wird es still in der Leitung, und Niko glaubt schon, seine Forderung zu hoch angesetzt zu haben, aber dann sagt der Typ: »Gut, einverstanden. Wann und wo?« Niko grinst. Na also, geht doch!
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Teller, Tassen, Schälchen, Kerzenständer, Warmhalteplatten, Aschenbecher, Serviertabletts, Gläser in allen Formen und Größen, Pappbecher, Stehlampen, Tischbeine, Girlanden, Halloweenkürbisse aus Plastik, künstliche Pflanzen, echte Pflanzen – es ist das erste Mal, dass Oda das Lager einer Cateringfirma betritt, und auch Völxen staunt, was auf Partys so alles zum Einsatz kommt. Wozu braucht man drei Meter hohe Plüschaffen?
»Ein chinesischer Mobilfunkhersteller mit Affen im Logo hat die drei
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