Todesspur
das?«
Marlene senkte ihre Stimme. »Ich weiß nur, dass er von Fiona mal verlangt hat, sie solle Valentin einen blasen. Auf ’ner Party war das. Und diese dumme Kuh hat das gemacht!«
»Wieso Valentin?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil der bei den Mädchen nicht so gut ankommt. Ist ja klar, dieser Fetti.«
»Hat Olaf von dir auch mal solche Gefälligkeiten verlangt?«
Eine zarte Röte überzieht den blassen Teint. »Nein!«
Jule ist ziemlich sicher, dass das Mädchen schwindelt. Würde sie wohl auch tun, an ihrer Stelle. »Was meinst du, warum hat er das Fiona machen lassen?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich, um anzugeben, wie toll er diese Hühner im Griff hat. Er hatte ja immer die Sorge, die anderen drei könnten ihn nicht ernst nehmen, weil er jünger ist als sie. Ich glaube, deswegen war er auch mit mir zusammen.«
»Weil du älter bist.«
»Ja, fast zwei Jahre. Jungs in seinem Alter schmücken sich gerne mit der Eroberung älterer Mädchen.«
»Hast du mit ihm Schluss gemacht oder er mit dir?«
Sie senkt den Kopf, sodass ihr Gesicht hinter dem Haarvorhang verschwindet, und verknotet ihre Finger. Jule wartet. Plötzlich wirf sie den Kopf zurück, sieht Jule an und erzählt: »Wir waren auf einer Flashmob-Party hinterm neuen Rathaus. Olaf und ich hatten Zoff, nichts Wichtiges, nur so ein bisschen, wie es eben mal vorkommt. Und plötzlich sind Olaf, Cornelius und Florian mit so ’ner Tussi weggefahren, angeblich zu den Ricklinger Teichen, das habe ich noch mitbekommen. Aber die waren da bestimmt nicht nur zum Schwimmen, das schwöre ich Ihnen.«
»Wer war das Mädchen?«
»Keine Ahnung, irgendeine von der Party, ich kannte die nicht, aber die war höchstens vierzehn.«
»Und danach hast du Schluss gemacht.«
»Ja. Per SMS . Außerdem hatte ich noch Gerüchte gehört, dass er seit diesem Performance -Kurs im Musikzentrum mit Gwen rummachen würde. Er meinte, das wäre alles nur Spaß, er würde nur mit ihr flirten, aber das alles war mir dann echt zu blöde. Wofür hält sich dieser Mistkerl, für ’nen Rockstar?«
»Und danach? Hattet ihr noch Kontakt?«
»Nein, kaum. Also, wir haben uns schon noch gegrüßt, aber ansonsten war Funkstille, auch mit Cornelius. Über ein paar Ecken habe ich inzwischen erfahren, dass die drei das zu so einer Art Sport gemacht hatten: Sie nannten es ›Jungfrauen knacken‹.«
Jule stößt hörbar den Atem aus, während Marlene erklärt: »Ich will im Moment auch gar keinen Freund, ich konzentriere mich jetzt auf mein Abi.«
»Sehr vernünftig«, pflichtet ihr Jule bei. »Kennst du diese Gwen näher?«
»Nicht gut, die ist ja erst vierzehn oder fünfzehn.« Marlene wirft ihr Haar zurück und reckt das Kinn. »So ein junges, dummes Ding – das perfekte Opfer. Hat bestimmt seine ganzen perversen Wünsche erfüllt, nur damit sie in dem Scheißchor singen darf.«
»Wolltest du denn nie in der Band singen?«
»Nä«, kommt es voller Verachtung. Sie wirft sich in die Brust und verkündet: »Ich spiele Theater. Die Hauptrolle in der nächsten Schulaufführung – Romeo und Julia, auf Englisch. Und dafür musste ich niemandem einen blasen.«
14
Als Hauptkommissar Völxen am Kröpcke ankommt, wird er mit großformatigen Bildern von eingepferchten Hühnern, fettleibigen Puten und blutenden Schweinen konfrontiert. Wandas Demo! Die hatte er ja völlig vergessen. Vor ihm steht eine Gruppe von etwa zwanzig, dreißig jungen Leuten. Sie tragen Plakate, die die Grausamkeiten von Massentierhaltung und Tierversuchen in Bild und Wort anprangern. Aus einem Lautsprecher tönen grausige Schreie sterbender Tiere. Viele Passanten sind stehen geblieben und diskutieren mit den Agitatoren. Die Demo scheint anzukommen. Völxen muss lächeln. Es gefällt ihm, wenn junge Leute für ihre Überzeugungen auf die Straße gehen, er selbst hat das damals viel zu wenig getan. Ein paarmal hat er gegen Atomkraft demonstriert, aber wenn er ehrlich ist, hat er es nur getan, weil er auf eine der Mitdemonstrantinnen scharf war. Später, als junger Polizist, stand er dann auf der anderen Seite.
Völxen hält Ausschau nach Wanda, aber im selben Moment, in dem er seine Tochter sieht, bemerkt er noch etwas anderes: seine Schafe! Doris, Salomé und Angelina stehen auf einer Lage Stroh in einem improvisierten Pferch. Sie tragen Plakate mit Botschaften über ihren Rücken: Ich will leben! – Ich bin ein Geschöpf Gottes, kein Kotelett! – Metzger sind Mörder! Die Schafe sind ohne Zweifel die
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