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Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Attraktion der Demo, vor allem bei Müttern mit kleineren Kindern. Die Tiere wiederum interessieren sich wenig für die Passanten, aber dafür umso mehr für einen Pappkarton, der mit frischem Rasenschnitt und Karottenstückchen gefüllt ist.
    Doch wo ist Schaf Nummer vier, Mathilde? Völxen entdeckt sie schließlich neben einem Studenten, der Flugblätter verteilt. Ihr Hals wurde fast kahl geschoren, und man erkennt darauf einen blutroten Strich, der wohl einen Kehlschnitt andeuten soll. Sie steht mit hängenden Ohren da, das Ganze scheint ihr nicht zu gefallen.
    Erbost stapft Völxen auf seine Tochter zu, die mit einer Unterschriftenliste vor der Kröpcke-Uhr steht. »Sag mal, spinnst du?! Was machen die Schafe hier?!«
    Wanda sieht ihren Vater verwundert an. »Hi, Dad! Was regst du dich so auf? Ich hab dich doch heute Morgen gefragt, ob sie mit zur Demo dürfen, und du hast Ja gesagt.«
    »Ich? Ich soll das erlaubt haben?«
    »Hast du Alzheimer?«
    »Werde nur nicht frech!«
    »Du hast es erlaubt, weißt du das nicht mehr? Oder hast du mir mal wieder nicht zugehört?«
    Völxen fühlt sich ertappt und fragt etwas freundlicher: »Wie sind die hierhergekommen?«
    »In Bennys VW -Bus. Schau, sie kommen wirklich prima an.«
    Ein kleines Mädchen ist auf Mathilde zugegangen und fragt ihre Mutter, ob das Rote am Hals des Schafes Blut sei. Der junge Mann mit den Flugblättern klärt sie auf, dass es Farbe ist, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Schafe bluten und Schmerzen leiden, wenn man sie schlachtet. Ebenso wie Schweine, Rinder und Hühner. Das kleine Mädchen fängt an zu weinen, die Mutter wirft ihm einen bösen Blick zu und zerrt ihr Kind hastig weg.
    »Wahrscheinlich bekommt sie jetzt einen Big Mac zum Trost«, bemerkt Völxen.
    »Kinder müssen lernen, dass hinter einem Würstchen ein lebendiges Tier steckt, das getötet wurde«, doziert Wanda.
    »Ja, schon gut«, winkt Völxen ab. »Ich habe es verstanden. Wie lange dauert das hier noch?«
    »Bis achtzehn Uhr.«
    »Stellt Mathilde zu den anderen in den Pferch. Schafe sind nämlich Herdentiere, Frau Tierschützerin.«
    »Okay, wird gemacht.« Sie gibt die Anweisung an den jungen Mann mit den Flugblättern weiter und fragt: »Was machst du eigentlich hier, Dad, wolltest du dir unsere Aktion ansehen?«
    »Nein, ich treffe einen Zeugen in der Holländischen Kakao-Stube .«
    »Oh!« Wandas Augen leuchten auf. »Bringst du mir einen Kuchen von dort mit? Ich habe einen Wahnsinnshunger.«
    Völxen antwortet mit falschem Lächeln: »Das würde ich ja gerne, aber leider weiß ich nicht, ob die ihre Kuchen nicht mit Eiern von Käfighühnern backen. Das wäre gar nicht gut für dein Karma, oder, mein Schatz?«
     
    Obwohl Lucinda Beuer eben erst vom Tod ihres Enkels erfahren hat, zeigt sie Haltung. Aufrecht sitzt sie da, das silberne Haar zu einer Art Jelinek-Frisur onduliert. Sie trägt einen strengen, dunklen Rock und eine cremefarbene Bluse über dem, was man zu ihrer Zeit eine stattliche Büste genannt hätte. Auch die Möblierung der Erdgeschosswohnung scheint sich seit Langem nicht mehr verändert zu haben, aber vor vierzig Jahren war das alles wohl recht repräsentativ gewesen. Dezent knarzt das Eichenparkett unter den schweren Sesseln, und würde in dem offenen Kamin ein Feuer brennen, dann wäre es hier auf eine angestaubte Art recht gemütlich, denkt Oda, die ein wenig fröstelt. Sie hat Tee angeboten bekommen, ihn aber abgelehnt, was sie nun bereut. Sicher wäre er hier besser als bei den Tiefenbachs. Auf dem Kaminsims steht nur ein einziges Foto: ein hagerer Herr mit vollem Grauhaar und wenig Kinn. An der Ecke des Bilderrahmens klebt eine schwarze Samtschleife.
    Frau Beuer hat den Sonntagabend unspektakulär verbracht: Tagesschau, Tatort. Sie hat nicht gehört, wie Olaf das Haus verließ.
    »Und Ruben? Vielleicht seinen Wagen?«
    »Ich bedaure. Ich bin um zehn Uhr zu Bett gegangen, wie immer. Und das Schlafzimmer geht nach hinten raus, zum Garten.«
    »Wie war das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern?«
    »Es war angespannt. Hat Constanze Ihnen gesagt, dass Ruben ein Adoptivkind ist?«
    »Wir wissen es«, antwortet Oda diplomatisch.
    »Das war alles sehr unüberlegt, wenn Sie mich fragen. Die beiden sind in Urlaub gefahren – angeblich – und kamen nach zehn Tagen mit einem fast zweijährigen Kind zurück. Mein Mann und ich waren wie vor den Kopf gestoßen. Verstehen Sie mich richtig. Wir waren keine Rassisten – aber wir hätten uns etwas anderes

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