Todesspur
bisschen herrichten kann. Aber zu einem professionellen Shooting gehört schließlich auch eine Maskenbildnerin, das weiß man spätestens seit Germany ’ s next Topmodel . In dem alten Industriegebäude unterhalb des Westschnellwegs sind etliche Büros, Ateliers und kleine Werkstätten untergebracht. Er folgt einem Schild, das auf das Fotostudio hinweist. Hier, hinter dieser weißen Stahltür, wird seine Karriere ihren Anfang nehmen. Fernando öffnet sie feierlich und stutzt. Der große Raum ist voller Menschen. Mindestens zwanzig Leute sind da, und alles Polizisten, das sieht Fernando auf den ersten Blick, nicht nur, weil einige ihre Uniform tragen. Ein paar davon kennt er sogar, und schon blökt Mike Czerny vom Raub: »Da ist er ja endlich! Mensch, Rodriguez, alles wartet auf dich!«
Schön, aber was, zum Teufel, machen die anderen alle hier? Ein langhaariger Typ, etwa in Fernandos Alter, drängelt sich zu ihm durch, ein Kameraobjektiv baumelt ihm vor dem Bauchansatz herum. »Ich bin Martin Reichel, der Fotograf, und Sie sind … « Fernando quetscht seinen Namen durch die zusammengebissenen Zähne. »Schön, Herr Rodriguez, dann können wir mit dem Gruppenfoto anfangen. Bitte stellen Sie sich in zwei Zehnerreihen vor diese Wand.«
Fernandos eben noch rosige Zukunftsaussichten schwärzen sich rasant. Ein Gruppenfoto? Von wegen das neue Gesicht der Polizei Niedersachsens. Jetzt sind es schon zwanzig neue Gesichter! Zwölf Männer, acht Frauen. Fernando kocht vor Wut. Man hat ihn reingelegt! Am liebsten würde er sofort wieder gehen, aber wie würde das aussehen? Ob diese scheinheilige Dr. Böger die anderen wohl auch mit so unverschämten Lügen geködert hat? Egal, bringen wir es hinter uns. Resigniert fährt er sich durch die Haare und stellt sich zu den anderen. Er muss auf den Zehenspitzen balancieren und den Hals lang machen, denn vor ihm steht so ein blonder Gaul von einer Frau …
»Moment mal, so geht das nicht! Sie da, Herr Rodriguez, kommen Sie nach vorn, und Sie, Frau … «
»Klaasen. Meike Klaasen.«
»Frau Klaasen, bitte tauschen Sie den Platz mit Herrn Rodriguez.«
Die Blonde – sie wäre ja hübsch, wenn sie nicht so riesig wäre – lächelt Fernando zu und schiebt sich in die hintere Reihe. Fernando platziert sich vor sie, ein paar Kerle grinsen. Fernando ballt die Fäuste.
»Sie müssen nicht alle lächeln, aber bitte auch nicht total finster dreinschauen. Versuchen Sie, ganz natürlich auszusehen. Herr Rodriguez, ein bisschen freundlicher, wenn’s geht.«
Es ist gar nicht so einfach, wie Fernando gedacht hat. Mal müssen sich alle nach links, dann nach rechts drehen, dann in verschiedene Richtungen schauen. Mal sollen sie lachen, dann wieder nur lächeln, ein paar müssen noch die Plätze tauschen, aber Fernando bleibt in der ersten Reihe, ein verkrampftes Lächeln ins Gesicht gemeißelt. Nein, Model, das ist doch kein Job für ihn, erkennt Fernando, das ist was für Schwuchteln und Weicheier.
»So, das war’s. Dann darf ich die Herrschaften verabschieden und mich ganz herzlich für Ihre Mitarbeit bedanken!« Der Fotograf legt seine Kamera auf den Tisch.
Gott sei Dank! Fernando löst sich aus der Gruppe und schnappt sich seinen Helm. Nichts wie raus hier! Zum Glück habe ich Jule nichts davon erzählt, vielleicht erkennt mich auf dem Gruppenfoto ja gar keiner.
»Herr Rodriguez! Wo wollen Sie denn hin?«, ruft der Fotograf.
»Äh, ich?«
»Ja, Sie. Bleiben Sie bitte hier, von Ihnen und Frau Klaasen mache ich gleich noch die Einzelporträts.«
Fernando, schon in der Tür, dreht sich wieder um. Meike Klaasen hat bereits vor einem Frisiertisch Platz genommen und streicht sich mit einer Puderquaste über die Nase. Wenn sie sitzt, ist sie wirklich sehr hübsch.
»Sie beide werden doch die neuen Gesichter der Polizei Niedersachsens «, verkündet der Fotograf. »Hat Ihnen das Frau Dr. Böger nicht gesagt?«
»Doch, natürlich. Ich wollte nur mal kurz … Luft schnappen.«
»Also, wer möchte zuerst?«
» Ladies first «, lächelt Fernando und legt seinen Motorradhelm wieder hin.
»Jule, meinst du nicht, dass wir mit diesen Mädchen sprechen sollten?«
Jule lässt die Akte von Sascha Lohmann sinken, sie hat genug gesehen: ein sattes Straftatenregister für einen Sechzehnjährigen. Oda lässt sich in Fernandos Chefsessel fallen. Sie sieht müde aus, der Fall scheint ihr nahezugehen.
»Die Chormädchen? Ja, du hast recht.« Als Jule vorhin, während des Meetings, von
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