Todesspur
Dann habe ich … ich weiß nicht mehr … bisschen im Internet gesurft und gelesen. Später habe ich meine Wäsche zusammengepackt und bin nach Waldhausen gefahren.«
»Mit Ihrem Wagen.«
»Ja.«
»Das ist ein ungewöhnliches Auto für einen Studenten«, bemerkt Völxen.
»Es gehörte meinem Großvater. Oma hat es mir geschenkt, nachdem er gestorben war.«
»Gut«, fährt Oda fort. »Sie fuhren also in Ihr Elternhaus. Wann?«
Genervtes Stöhnen. »Ahh, keine Ahnung. Oder doch: Ich war gegen sechs Uhr da. Meine Oma hat gerade zu Abend gegessen, sie isst immer um sechs.«
»Haben Sie Ihre Eltern noch getroffen?«
»Nein. Wie gesagt, ich war zuerst noch bei meiner Großmutter. Von dort aus habe ich dann gesehen, dass sie weggefahren sind. Unser Nachbar war auch dabei, der Tiefenbach.«
»Wussten Sie, wohin Ihre Eltern wollten?«
»Nein, aber Oma hat mir erzählt, dass sie Karten für dieses bescheuerte Varieté hatten. Sie war wohl auch eingeladen, aber sie kann nicht mehr stundenlang ruhig sitzen.«
»Wussten Ihre Eltern, dass Sie an diesem Abend zum Wäschewaschen kommen würden?«
»Ja. Ich hatte es angekündigt, am Samstag.«
»Haben sie Ihnen da gesagt, dass sie Sonntagabend im Varieté sein würden?«
»Nein. Ich hatte eine SMS geschrieben, dass ich komme.«
»Wem haben Sie die geschrieben?«
»Constanze.«
»Kam darauf eine Antwort?«
»Nein.«
»Wie lange lag der letzte Besuch zurück?«
Ruben überlegt. »Zwei Wochen.«
»Auch zum Wäschewaschen?«
»Ja, glaub schon.«
»Waren Sie enttäuscht, als Sie Ihre Eltern am Sonntagabend wegfahren sahen?«
»Nein.«
»Sie sind also nur dorthin gefahren, um zu waschen, nicht, um Ihre Eltern zu sehen«, stellt Oda fest.
»Ja. Ist das verboten?«
Oda antwortet nicht, fragt weiter: »Ihr Wagen stand vor der Tür?«
»Ja.«
»Also konnten Ihre Eltern sehen, dass Sie da waren. Haben die beiden nicht mal kurz bei Ihrer Großmutter reingeschaut, Ihnen Hallo gesagt?«
»Nö.«
»Warum nicht?«
»Was weiß ich denn? Wahrscheinlich hatten sie es eilig.«
»Hatten Sie Streit mit Ihren Eltern?«
Eine Zornesfalte gräbt sich zwischen Rubens dunkle Augenbrauen. »Nein, verdammt. Ich wollte sie nicht unbedingt sehen, und sie mich wohl auch nicht. Komme ich dafür nun ins Gefängnis?«
»Dafür nicht«, meint Oda. »Wie ging es weiter?«
»Ich bin rauf und habe die Wäsche in die Maschine getan.«
»Da war es wie spät?«
»Vielleicht sieben.«
»Wo steht die Waschmaschine?«
»Im Hauswirtschaftsraum neben der Küche. Dann habe ich mir ein Brot mit Käse gemacht, habe ein bisschen am Laptop rumgedödelt und nebenbei ferngesehen.«
»Was kam?«
»Irgendwas. Nachrichten und so. Hab öfter umgeschaltet.«
»Und wann kam Olaf?«
»Das habe ich doch schon gesagt, so gegen acht. Er ist gekommen und hat sich eine Pizza gemacht.«
Aber diese Angabe reicht Oda längst nicht mehr. Sie verlangt Details. Ob Olaf den Backofen vorgeheizt hat, welche Sorte Pizza es war, wann er sie in den Ofen schob, wann wieder herausholte. Sie will wissen, wo sich Olaf zwischen den einzelnen Arbeitsschritten aufhielt, wo Ruben in der Zeit war, was Olaf anhatte, was Ruben anhatte. Sie wird diese Details bei nächster Gelegenheit wieder abfragen, und Gnade ihm Gott, sollte sich da eine Abweichung ergeben.
»Und dann? Als die Pizza fertig war?«
»Dann kam er ins Wohnzimmer, mit seiner Pizza und ’ner Cola, und hat sich neben mich vor die Glotze gesetzt. Ja, jetzt weiß ich es wieder, da liefen gerade die Nachrichten. Er hat mir ein Stück angeboten, aber ich wollte keins.«
»Wie war die Stimmung zwischen Ihnen beiden?«
»Die Stimmung? Ganz normal. Wir hatten keinen Zoff, wenn Sie das meinen. Sonst wäre er ja wohl nicht ins Wohnzimmer gekommen und hätte mir von seiner Pizza angeboten.«
»Wie ging es weiter?«
»Nachdem er sie gegessen hatte, ist er rauf in sein Zimmer.«
»Was tat er dort?«
»Das weiß ich doch nicht!«, ruft Ruben. »Ich war unten und habe ferngesehen. Und zwischendrin mal die Wäsche von der Maschine in den Trockner gepackt.«
»Wann zwischendrin?«
»Herrgott, ich habe doch nicht auf die Uhr geschaut! Als sie eben fertig war. Das hört man, wenn die Küchentür auf ist und die Maschine schleudert.« Je aufgebrachter Ruben ist, desto ruhiger und beharrlicher befragt ihn Oda: »Haben Sie Ihren Bruder an dem Abend noch einmal gesehen?«
»Nein. Ungefähr um neun Uhr habe ich gehört, wie er die Treppe runterkam. Aber er ist nicht
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