Todesspur
Geräusch zu übertönen, und fragt dann: »Wann haben Sie das Haus Ihrer Eltern wieder verlassen?«
»Gegen zehn. Als die Wäsche durch war. Das habe ich Ihnen doch schon alles gesagt.«
»Sie haben Ihr Laptop liegen lassen. Warum?«
»Keine Ahnung.«
»Was hat Sie so verwirrt?«, will Völxen wissen.
»Gar nichts. Ich habe es eben vergessen, auf dem Sofa. Ist Ihnen das noch nie passiert, dass Sie was liegen lassen?«, fragt Ruben den Kommissar nun sichtlich gereizt.
»Gut. Sie nahmen also Ihre Wäsche. Und dann?«
»Dann bin ich nach Hause. Also, in meine WG .«
»Direkt?«
»Ja.«
»Gibt es Zeugen?«
»Als ich ankam, habe ich Leif und seine Freundin getroffen, die sind noch mal raus, in die Kneipe. Und weil ich Lust auf ein Bier hatte, bin ich mit denen noch in die Mottenburg . Wir waren da bis halb eins. Ununterbrochen. Sie können sie fragen, falls ich ein Alibi brauche.« Ruben lächelt schnippisch. Man sieht ihm die Genugtuung an. Endlich konnte er diesen Trumpf, den er die ganze Zeit im Ärmel hatte, ausspielen.
»Ja, Sie brauchen eines«, räumt Oda ein. »Aber für die Zeit zwischen neun Uhr und zehn Uhr. In dieser Stunde starb Ihr Bruder. Für diese Zeit haben Sie keine Zeugen, wenn ich mich nicht irre?«
Der Triumph verschwindet aus seinem Gesicht, als hätte man einen Vorhang zugezogen. Ruben schluckt, ballt die Fäuste und sagt: »Wenn Sie irgendwas gegen mich in der Hand hätten, dann würden Sie schon längst in Waldhausen auf dem Parkett rumkriechen und nach Blutspuren suchen.«
Wo er recht hat, hat er recht, denkt Völxen und entscheidet: »Sie können gehen, Herr Döhring, vorerst. Aber wie heißt es so schön: Verlassen Sie bitte in den nächsten Tagen nicht die Stadt.«
Ruben steht auf, er lehnt eine Begleitung zum Ausgang ab. »Ich finde schon selber raus.«
»Ach, da ist doch noch eine Kleinigkeit«, schickt ihm Völxen nach. »Ihren Wagen lasse ich vorsichtshalber zur kriminaltechnischen Untersuchung abholen. Sind Sie nachher zu Hause, oder wollen Sie mir den Schlüssel lieber jetzt gleich geben?«
Ruben knallt den Schlüssel auf den Tisch und geht.
Oda schaltet das Aufnahmegerät ab. »Das ging ja ziemlich in die Hose.«
Völxen knurrt: »Fragt sich nur, ist er so clever oder ist er unschuldig?«
»Weißt du was, Völxen? Wir beide können uns glücklich schätzen mit unseren Kindern.«
18
Eigentlich hatte Jule vor, ihre Mutter anzurufen, sobald sie zu Hause wäre, um sich bei ihr für die unbedachte Äußerung von vorhin zu entschuldigen. Aber jetzt hat sie erst einmal Hunger und kocht sich Spaghetti mit Tomatensoße – so ziemlich das einzige Gericht, dessen Zubereitung sie beherrscht. Nachdem sie die Küche aufgeräumt hat und nun auf dem Sofa lümmelt, fällt ihr plötzlich ein, dass sie dringend mal wieder mit Britta telefonieren müsste. Vor gut einem Monat war sie Gast bei der standesamtlichen Trauung ihrer ehemaligen Kollegin vom Revier Hannover-Mitte. Es war schon die dritte Hochzeit in diesem Jahr gewesen, und Britta hatte allzu offensichtlich versucht, ihr den Brautstrauß zuzuwerfen. Aber Jule hat einfach nicht reagiert, und das rosa-weiße Gebinde kullerte ihr vor die Füße. Sie sei wohl ein hoffnungsloser Fall, hat die Braut dazu gesagt und den Strauß selbst wieder aufgehoben.
»Hi, Britta, wie geht’s denn so?«
»Jule! Nett, dass du dich auch mal meldest, das hat ja Seltenheitswert. Gut geht es mir. Und Udo auch.« Letzteres wollte Jule gar nicht wissen, aber das ist bei Frischverheirateten wohl nicht anders als bei jungen Eltern: Fragt man die, wie es ihnen geht, bekommt man zur Antwort, dass das Kind Zähne kriegt. Doch Jule ist schon froh, dass ihr Britta wenigstens noch kein triumphierendes »Wir sind schwanger!« entgegenschmettert, denn das bedeutet, dass man sich mit ihr noch wie mit einem normalen Menschen unterhalten kann.
»Und bei dir? Was tut sich an der Männerfront?«
»Es ist kompliziert … «
Ein halbes Glas Merlot später hat Jule ihrer ehemaligen Kollegin zwei Dinge entlockt: Erstens das Geständnis, ihren Ehemann über eine Internet-Partnervermittlung kennengelernt zu haben, eine Tatsache, die Jule längst bekannt war, denn auf der Hochzeit wurde ausgiebig darüber getuschelt. Zweitens den Rat von Britta, es doch auch einmal auf diesem Weg zu versuchen. Genau das wollte Jule hören, Britta war schon immer leicht zu manipulieren. Denn am Sonntagabend, zwischen Tatort und Inspector Barnaby , hat Jule eine Werbung für eine
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