Todesspur
Außenstehenden hättest du nicht von unseren Fällen erzählt.«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht!«
»Jetzt kommt schon! Ich erfahre es ja doch.«
»Sie ist beim KDD .«
»Hübsch?«
»Ziemlich. Und auch nett, lustig. Wir waren einen Wein trinken nach … ist ja egal. Nur … na ja … sie ist … «
»Fast einen Kopf größer als du«, vollendet Jule den Satz, denn beim Stichwort KDD hat sie sich sofort an die Stimme von Meike Klaasen erinnert, die sie gestern früh geweckt hat.
»Richtig. Woher weißt du … ?«
»Dein Gesicht ist ein offenes Buch für mich.«
»Zu blöd. Die wäre sonst echt heiß.«
»Fernando, du musst dich von diesen traditionellen Rollenklischees lösen. Wir leben im Zeitalter der Emanzipation, Frauen müssen sich keine Hünen mehr suchen, und Männer dürfen durchaus größere Frauen haben, das wirkt nicht lächerlich.«
»Doch. Ich käme mir vor wie so ein Spinnenmännchen, kurz bevor es gefressen wird.«
»So ein Quatsch!«
»Würdest du einen Mann haben wollen, der einen Kopf kleiner ist als du?«
Jule überlegt: »Da ich eins siebzig groß bin, wäre der dann ungefähr eins fünfzig – also ein Hobbit. Das kann man nicht vergleichen.«
»Hm.«
»Offensichtlich mag sie dich, sonst hätte sie nicht angerufen, oder?«
»Ja. Mal sehen.« Er hält demonstrativ die Zeitung in die Höhe, um zu signalisieren, dass das Thema damit abgeschlossen wäre.
Die Tür geht auf, es ist Oda. »Jule, Gwen hat heute schon um halb drei Schulschluss, also können wir … Sag mal, Fernando! Zeitung lesen im Dienst?«
» Steintor-News . Hier, das ist doch hochinteressant: Am 3 .12. 2010 von 11 : 00 bis 0 : 00 Uhr will eine Frau mindestens 146 Männer kostenlos oral befriedigen und damit den Weltrekord nach Hannover holen. Wir brauchen eure Hilfe! «
21
Während Oda den Golf am Maschsee entlangsteuert, sieht sich Jule die Anrufliste von Olafs Mobiltelefon an. Hinter den meisten Nummern sind in Richard Nowotnys akribischer Handschrift die Namen der Teilnehmer vermerkt. »Neben einer Handynummer steht Heiko Fischer«, fällt Jule auf.
»Das wird Gwen Fischer sein. Veronikas Handy ist auch auf mich angemeldet – als Partnerkarte.«
Jule blättert in ihrem Notizbuch: »Nein, die von Gwen habe ich hier, die taucht auch noch öfter auf. Die andere aber nur ein Mal, am Samstag um 12 : 15 Uhr.«
Oda biegt links ab und parkt wenig später in einer Seitenstraße, die auf den Fiedelerplatz in Döhren zuführt. Entlang des Platzes sind Marktstände aufgebaut. »Bauernmarkt, jeden Dienstagnachmittag«, erfahren sie von einer älteren Dame, die zwei volle Taschen davonträgt.
Die Fischers wohnen im ersten Stock eines hübschen roten Klinkerbaus aus der Jahrhundertwende. Gwen selbst öffnet die Tür und sagt »Hallo« als sie Jule erkennt.
»Das ist meine Kollegin Oda Kristensen. Dürfen wir reinkommen, wir hätten noch ein paar Fragen an dich.«
Das Mädchen führt sie in die Küche, in der es nach angebrannter Tomatensoße riecht. Sie fährt mit einem Lappen nachlässig über den Tisch, auf dem ein aufgeklapptes Buch mit den Seiten nach unten liegt. Jack Kerouac , Unterwegs .
»Das habe ich auch gelesen, vor zwanzig Jahren etwa«, erinnert sich Oda. Gwen lächelt nicht. Sie trägt das violette Kapuzensweatshirt von gestern und zieht sich krampfhaft die Ärmel lang. Jule und Oda setzen sich auf die Bugholzstühle. Die Wand hinter ihnen ist mit zahlreichen Tellern aus bunt glasierter Keramik zugehängt. Es stehen auch einige Vasen auf den Küchenoberschränken, die verdächtig nach Töpfer-Workshop aussehen.
»Bist du alleine hier?«, fragt Oda.
»Ja. Mein Vater kommt erst um fünf von der Arbeit.«
»Was macht er?«
»Er arbeitet bei der Heimkehr .«
Eine der großen Wohnungsgenossenschaften der Stadt, Oda hat sich neulich deren Bestand angeschaut, denn Veronika drängelt immer mehr, aus Isernhagen weg – und in einen der innerstädtischen Bezirke zu ziehen. Am liebsten natürlich nach Linden.
»Und deine Mutter?«
»Die liegt zurzeit im Krankenhaus.«
»Seit wann?«
»Seit letztem Mittwoch. Sie hatte eine Gallenoperation, aber am Samstag kommt sie wieder zurück.«
»Hast du noch Geschwister?«
»Nein.«
Oda fährt fort: »Du warst mit Olaf zusammen?«
»Manchmal.«
»Was heißt das?«
»Manchmal heißt manchmal. So ab und zu eben«, erklärt Gwen unwillig.
»Du warst also nicht offiziell seine Freundin.«
»Nein.«
»Wärst du es gern gewesen?«
Gwen zuckt mit den
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