Todesspur
mehr zu retten ist, vergraulen sie die letzten paar Mieter, reißen die ganze Chose ab und kassieren einen Haufen Geld für das Grundstück. Die sind ja dann was wert, wenn drum herum erst mal alles wieder nett gemacht ist. Aber ich werde das Ende hier sowieso nicht mehr erleben, ich gebe bald den Löffel ab.«
»Aber Sie sehen doch noch sehr fit aus, wenn ich das bemerken darf«, hängt Völxen den Charmeur heraus. Irgendwie rührt ihn die alte Dame, die trotz ihres Alters und einer nun deutlich wahrnehmbaren Fahne einen gewissen, wenn auch etwas abgewetzten Chic ausstrahlt.
»Na ja. Wenn Sie es sagen.« Sie lächelt müde. »Wiedersehen, die Herren.« Sie greift nach ihrem Hackenporsche und tippelt in ihren knöchelhohen Stiefeln mit den dünnen Absätzen auf den Eingang des Nachbargebäudes zu, wobei sie einen Hundehaufen elegant umschifft.
Als sie darin verschwunden ist, schlägt Fernando vor: »Cruisen wir doch ein bisschen durch die Gegend und halten die Augen offen.«
»Oder wir versuchen es zuerst noch bei seinen Freunden Sascha Lohmann und Sergej Markow«, lautet Völxens Gegenvorschlag. »Lohmann wohnt hier gleich um die Ecke.«
»Herr Fischer, darf ich mal kurz Ihr Handy sehen?«
»Warum das denn?«
»Ich will nur wissen, ob Sie es noch haben. Oder ob es Ihnen vielleicht gestohlen wurde oder Sie es verloren haben.«
Offensichtlich verwirrt von Odas Frage deutet Heiko Fischer auf ein schwarzes, ultraflaches Gerät, das auf seinem sehr aufgeräumten Schreibtisch liegt. »Da ist es.«
»Demnach haben also Sie am Samstagmittag um 12 : 15 Uhr knapp drei Minuten lang mit Olaf Döhring telefoniert. Was war der Anlass?«
»Ich? Wieso? Wie kommen Sie denn darauf?«
Oda erklärt es ihm. »Und wir wissen von Ihrer Tochter, dass sie es nicht war, die vielleicht von Ihrem Handy aus Olaf angerufen hat. Also noch einmal, was wollten Sie von Olaf Döhring?«
Oda und Jule sitzen auf ledernen Freischwingern in Fischers modisch-nüchtern eingerichtetem Büro, das sich in einem schicken Neubau in der Südstadt befindet, ganz in der Nähe von Tian Tangs Praxis.
Heiko Fischer, ein schlanker Mann mit dunklem Haar und grauem Vollbart, fährt mit den Fingern über die Tastatur, die auf seinem gläsernen Schreibtisch liegt, und antwortet auf Odas Frage: »Ich habe Olaf Döhring verboten, sich weiterhin mit meiner Tochter zu treffen.«
»Weshalb?«
»Ich hielt ihn einfach nicht für den richtigen Umgang für Gwen.«
»Das würde ich gern genauer wissen, warum Sie das so sehen.«
»Eine Vierzehnjährige braucht noch keinen Freund und muss nicht auf Partys gehen, bei denen Alkohol getrunken wird und Drogen im Umlauf sind, so sehe ich das!«
»Aber Sie haben ihr doch erlaubt, im Chor der Grizzlys zu singen, und die Auftritte sind nun mal in den einschlägigen Klubs«, hält Oda dagegen.
»Ich habe ihr das nie erlaubt. Sie hat das anfangs ohne unser Wissen gemacht. Hat uns erzählt, sie würde bei ihrer Freundin übernachten. Es ist nicht so einfach, einem Mädchen in dem Alter etwas zu verbieten.«
»Ich weiß, ich habe selbst eine nicht ganz einfache Tochter«, antwortet Oda und muss dabei an Musst-du-dir-nicht-merken-Dennis denken. Dennoch wäre sie nie auf die Idee gekommen, bei einem Jungen anzurufen, der ihr nicht passt. Das wäre ja eine Bankrotterklärung. »Herr Fischer, das verstehe ich immer noch nicht ganz: Warum dieses strikte Umgangsverbot? Hätte es nicht gereicht, ihr die Partys zu verbieten?«
Heiko Fischer schüttelt nur schweigend den Kopf.
»Ist etwas vorgefallen? War Ihre Tochter mal betrunken oder auf Drogen? Hat Olaf ihr irgendetwas angetan? Oder einer seiner Freunde?«
Fischer zögert, zupft an seinem Bart und meint: »Man muss ja nicht abwarten, bis es so weit ist, oder?«
Den besorgten Vater nimmt Oda ihm nur bedingt ab, sie hat das Gefühl, dass Heiko Fischer etwas verschweigt. »Wie hat Olaf das Verbot aufgenommen?«
»Pampig. Hat gemeint, das müsse Gwen selbst entscheiden. Als ich versuchte, ihm meine Bedenken auseinanderzusetzen, hat er großkotzig verkündet, er würde schon auf Gwen aufpassen. Es klang ziemlich von oben herab. Von einem Jungen, den alle Welt so nett und wohlerzogen findet, hätte ich, ehrlich gesagt, etwas anderes erwartet.«
Plötzlich scheint sich Fischer daran zu erinnern, was mit Olaf Döhring geschehen ist, und er fügt halbherzig hinzu, dass er dessen Tod natürlich sehr bedaure. »Ein Drama, meine Tochter nimmt das sehr mit.«
Seine Worte erinnern
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