Todesspur
»Präsidium oder Puff?«
»Erst Kiosk, dann Dienststelle«, entscheidet Fernando.
»Ist mir auch lieber.«
»Hast du was gegen Puffs?«
»Das fragst du mich nach drei Jahren PI Mitte? Ich habe praktisch drei Jahre auf dem Straßenstrich zugebracht. Wie oft mich diese schmierigen Typen auf der Herschelstraße angequatscht haben! Und so friedlich, wie die gute Stella behauptet, ist es drüben am Steintor auch wieder nicht. Es wird zwar nicht jede Woche einer erschossen oder abgestochen, aber da hätten wir noch randalierende Besoffene, gewalttätige Zuhälter, Drogenhändler … «
»Schon gut. Bist ein toughes Mädchen.«
»Was sagt uns das Handy?«
»Sehr übersichtlich. Da ist überwiegend die Festnetznummer von Madame drauf. Ein paarmal eine Handynummer, immer dieselbe, und noch eine Festnetznummer aus Hannover, die er gestern Mittag angerufen hat. Wenn du mir für einen Augenblick dein kostbares iPhone überlässt, dann google ich die mal eben, vielleicht haben wir ja Glück.« Jule reicht ihm das Telefon. »Wolltest du dir nicht schon längst ein Blackberry kaufen?«
»Vom Weihnachtsgeld vielleicht«, murmelt Fernando und meint wenig später: »Die Zulassungsstelle. Klingt jetzt nicht gerade alarmierend.«
»Hatte der ein Auto?«, wundert sich Jule. »Sah mir eher so aus, als würden alle beide aus dem letzten Loch pfeifen.«
»Du kannst deine neue Freundin ja heute Nachmittag danach fragen«, schlägt Fernando vor.
»Quatsch, ich lass es von Frau Cebulla überprüfen.«
Zweihundert Meter weiter hält es Fernando nicht mehr aus: »Lass mich raten: Katzenfutter?«
»Und Wodka.«
»Scheiße, wo ist meine Sonnenbrille? Dein Karma strahlt so, es ist kaum zum Aushalten.«
»Halt doch einfach mal die Klappe!«
Fernando grinst und wählt die Handynummer, die auf Nikos Apparat gespeichert ist. »Der Teilnehmer ist nicht erreichbar …«
Am Kiosk weiß der Inhaber, ein älterer Türke mit einem respektablen Schnauzbart, sofort, von wem die Rede ist. »Niko, ja. Der ist jeden Tag hier. Trinkt Bier und Wodka.« Der Mann deutet auf die Sammlung kleiner Fläschchen, die man durch das Fenster bewundern kann. »Und kauft Zigaretten für seine Frau.«
»Kommt die auch ab und zu hierher?«
»Kaum. Manchmal holt sie ihn nach Hause. Aber seit er ein Handy hat, ruft sie ihn an.« Er murmelt etwas, das sich wie ein türkisches Schimpfwort anhört.
»Wann war er zuletzt hier?«, fragt Fernando.
»Gestern Nachmittag. War gut drauf, hat einen ausgegeben.«
»Wem?«
»Denen, die jeden Tag herkommen.« Er wirft einen Blick auf die dicke goldene Armbanduhr an seinem haarigen Handgelenk. »Bisschen zu früh.«
»Hat er gesagt, warum er einen ausgegeben hat?«
»Nö. Einer hat gefragt, ob er im Lotto gewonnen hat. Aber Niko hat nur gegrinst und gesagt: ›So ähnlich.‹ Warum wollt ihr das wissen? Ist ihm was passiert?«
Zumindest eine gute Botschaft gibt es an diesem Vormittag. Nach ausgiebigem Jammern, Sülzen und Schleimen an den entsprechenden Stellen wurden Hauptkommissar Völxen zwei Zusatzkräfte vom FK , dem Dezernat für Organisierte und Schwerst-Kriminalität, leihweise bewilligt. Die beiden Herren sitzen jetzt mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf dem kleinen Ledersofa in Völxens Büro, bewacht von Oscar, der die beiden in seinem Korb mit gesträubtem Nackenfell aus sicherer Distanz mustert. Der Hauptkommissar blickt in die erweiterte Runde und sagt: »Ich möchte euch unsere Verstärkung vorstellen. Das ist Hauptkommissar Heinz Dünnbier. Oda und ich kennen Heinz aus unserer Zeit beim Kriminaldauerdienst.«
Dünnbier ist ein stiernackiger, nachlässig rasierter Endvierziger mit stark geröteten Triefaugen und einer auffällig breiten Nase. Sein jüngerer Kollege – undurchdringliche Miene, Gesicht wie ein Bullterrier – trägt schwarze Lederklamotten und stellt sich selbst mit »Artur Petrowitsch Iwanow« vor.
»Unsere Kollegen arbeiten sonst für die Arbeitsgruppe Milieu «, erläutert Völxen. »Sie werden im Fall Nikodemus Riepke die Recherchen im Steintorviertel durchführen.« An Jule und Fernando gerichtet fragt er: »Was habt ihr bisher in Erfahrung gebracht?«
»Nicht viel«, antwortet Jule und berichtet von ihrem Besuch bei Stella.
»Der kann keine große Nummer aufm Kiez sein, sonst würden wir den kennen«, sagt Dünnbier.
»Das würde mich auch wundern. Die beiden leben in sehr bescheidenen Verhältnissen, um es mal vorsichtig auszudrücken.«
»Die Wohnung ist ein
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