Todesspur
Könige.
Newman und Paula saßen zusammen auf einer Couch, Butler und Nield hatten sich auf Sesseln niedergelassen, und Marler hatte seine übliche Stellung eingenommen – er lehnte an einer Wand und rauchte eine King-Size-Zigarette.
Marler, Angehöriger des SIS und der treffsicherste Schütze in ganz Europa, war auf Tweeds Anruf bei Monica hin angewiesen worden, von London nach Basel zu fliegen. Er war Mitte Dreißig, mittelgroß und schlank, hatte blondes Haar und trug ein elegantes kariertes Sportjackett und eine Hose mit rasiermesserscharfen Bügelfalten. Er sprach mit etwas schleppendem Tonfall und kreuzte ständig mit Newman die Klingen.
»Ist das pure Intuition?« fragte Marler. »Oder beruht Ihre Warnung auf eindeutigen Fakten?«
»Macht das einen Unterschied?« fuhr Newman auf.
Man konnte die beiden Männer beim besten Willen nicht als Freunde bezeichnen. Aber wenn es hart auf hart ging, wußte jeder, daß er sich auf den anderen unbedingt verlassen konnte.
»Ja, das tut es, mein Alter«, entgegnete Marler herablassend. »Gibt es irgendwelche eindeutigen Fakten?« fragte er Tweed.
Nachdem Marler eingetroffen war, hatte Tweed ihn über alles informiert, was bisher geschehen war. Es war durchaus möglich, daß Marler mit seinen frischen Augen etwas bemerkte, das ihnen entgangen war.
»Es gibt einige Fakten«, teilte Tweed ihnen mit. »Beck hat angerufen und mir mitgeteilt, daß ein Mann, dessen Beschreibung auf Joel Dyson paßt, vor der Zürcher Kreditbank hier in der Stadt überfallen wurde.« »Überfallen?« fragte Paula.
»Ja. Ein Amerikaner hat Dyson den Lauf einer Waffe in den Rücken gebohrt, als dieser die Bank verließ. Glücklicherweise tauchte ein Streifenwagen auf, der Mann mit der Waffe flüchtete, und wenn es Dyson war, dann hat er eine Frau Kahn in der Bank gefragt, wo Amberg ist. Beck läßt nie etwas außer acht – er hat in der Bank angerufen und mit ihr gesprochen. Sie hat bestätigt, was Eve Amberg mir gesagt hat – daß der Bankier sich im Chateau Noir aufhält.«
»Sie sagten,
wenn
es Dyson war«, bemerkte Paula. »Es ist doch sonst nicht Ihre Art, eine Identifizierung ohne Beweise zu akzeptieren.«
»Und deshalb«, erklärte Tweed ihr, »habe ich Cardon losgeschickt, damit er Frau Kahn die Fotokopie Ihrer Skizze zeigt.«
Jemand klopfte an die verschlossene Tür. Newman öffnete sie und Cardon kam herein. Er zwinkerte Paula zu, die leicht den Mund verzog.
»Es war Dyson, der hier in Basel die Bank aufgesucht hat«, teilte Cardon Tweed mit und gab ihm den Umschlag mit der Fotokopie zurück. »Frau Kahn hat ihn anhand der Skizze sofort erkannt. Beck ist als Verbündeter unbezahlbar – einer seiner Mitarbeiter wartete schon auf mich und begleitete mich in Frau Kahns Büro. Sie hatte keine Bedenken, mit mir zu reden.«
»Das alles bestätigt meine Vermutung, daß wir in den Vogesen großen Gefahren ausgesetzt sein werden. Dieser Amerikaner, der Dyson überfallen hat und dann flüchten konnte, hat ihn vermutlich gefragt, wo Amberg ist. Wir werden Gesellschaft haben im Elsaß – unerwünschte Gesellschaft.«
Das Telefon läutete. Paula nahm ab, hörte zu, sagte, sie würde es ihm sagen, legte den Hörer wieder auf und sah Tweed mit einem belustigten Lächeln an.
»Sie haben bereits Gesellschaft. Sie wartet unten im Foyer auf Sie. Wesentlich erwünschtere Gesellschaft. Jennie Blade möchte dringend mit Ihnen sprechen.«
»Hat sie Gaunt erwähnt?« fragte Tweed stirnrunzelnd.
»Mit keinem Wort.« »Als ich mit Monica sprach, konnte sie ihren Informationen über Mr. Gaunt noch eine weitere hinzufügen. Er war früher einmal bei der Armee.
Militärischer Geheimdienst. Interessant…«
Jennie Blade saß sehr aufrecht auf einem Sessel. Sie trug eine Skihose, die in eleganten, knöchelhohen Lederstiefeln steckte, und einen blauen Rollkragenpullover, der ihre Figur .
betonte. Auf einem Sessel neben ihr lag säuberlich zusammengefaltet eine pelzgefütterte Jacke.
Als Tweed aus dem Fahrstuhl trat, fuhr sie sich gerade mit einer Hand über ihr blondes Haar; in der anderen hielt sie eine Puderdose mit einem Spiegel, in dem sie ihr Aussehen überprüfte. Sobald sie Tweed gesehen hatte, klappte sie die Puderdose zu und verstaute sie in einer Gucci-Handtasche mit Schulterriemen.
»Wir haben uns lange nicht gesehen«, begrüßte sie ihn.
Sie hob den Kopf und bot ihm ihre rechte Wange dar.
Er beugte sich nieder und küßte sie, dann ließ er sich auf der Lehne ihres Sessels nieder.
Weitere Kostenlose Bücher