Todesspur
trotzdem.«
Sie hörte auf zu reden, betrachtete die Karte und markierte dann eine Route, die auf der N 83 nach Kaysersberg führte und dann auf der N 415 in die Berge. Später wurde es sehr kompliziert, und sie markierte mit ihrem Stift eine Nebenstraße. Sie wiederholte ihre Warnung über die Gefährlichkeit der Fahrt, aber Norton unterbrach sie brüsk. »Darf ich das Telefon für ein vertrauliches Gespräch benutzen?«
»Selbstverständlich, Sir…«
Sie verschwand durch eine Tür hinter der Rezeption, die sie hinter sich zumachte. Im Grunde war sie froh, aus der Gegenwart dieses schwarzgekleideten Mannes entkommen zu können. Norton lächelte, als er die Nummer des Hotels Drei Könige wählte. Er hatte die Angst gespürt, die die Frau vor ihm empfand, und das hatte ihm Spaß gemacht. Er bat die Zentrale, ihn mit Tweed zu verbinden. Eine kurze Pause.
»Mit wem spreche ich?« erkundigte sich eine Männerstimme.
»Barton Ives«, sagte Norton durch das Taschentuch hindurch, das er über die Sprechmuschel gelegt hatte. »Wer ist am Apparat?«
»Tweed. Wo sind Sie, Ives?«
Norton legte den Hörer auf. Tweed war also noch in Basel. Also war er vor dem Feind eingetroffen und hatte genügend Zeit, eine Falle vorzubereiten. Und es war interessant, daß Tweed damit rechnete. Barton Ives zu treffen. Das gab ihm Gelegenheit, hier in der elsässischen Wildnis ein Großreinemachen zu veranstalten.
Norton eilte nach draußen und setzte sich ans Steuer des blauen Renault, den er in Basel gemietet hatte. Er hatte nicht im Drei Könige gewohnt, sondern dort nur zeitig zu Mittag gegessen und hinterher im Foyer gesessen. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Tweed und seine Freunde ankamen.
Auch im Hotel Bristol gedachte er nicht zu wohnen. Am Bahnhof gegenüber dem Hotel hatte er eine Broschüre mitgenommen, in der mehrere kleine Hotels in der Altstadt inserierten. Eines dieser Hotels würde seine Basis sein.
Er fuhr schnell durch das flache Land in der Umgebung von Colmar. Es war ein kalter, sonniger Nachmittag, die Luft war frisch wie Wein. Aber dies war schließlich eine Weingegend – an den Hängen zogen sich Weinberge hinauf, als er sich den Ausläufern des Gebirges näherte.
Er fuhr langsamer durch das mittelalterliche Städtchen Kaysersberg, das kaum mehr war als ein großes Dorf. Norton hatte kein Auge für das pittoreske Aussehen des Ortes.
Was ihm auffiel, war eine schmale Steinbrücke, die einen kleinen Fluß überspannte.
Ein hervorragender Ort – man konnte eine Bombe unter der Brücke anbringen, die dann mit Fernsteuerung gezündet wurde. Mencken, auf dessen Eintreffen er wartete, war Sprengstoffexperte. Auf der Fahrt von Basel nach Colmar hatte Norton einen Steinbruch gesehen und daneben einen Schuppen mit einem Warnschild, auf dem VORSICHT SPRENGSTOFF stand. Er hatte die Stelle auf seiner Karte eingezeichnet.
Er fuhr durch Kaysersberg hindurch in die Ausläufer des Gebirges. Vor ihm ragte die lange Kette der verschneiten Vogesen auf. Norton war vorausschauend genug gewesen, einen Wagen mit Schneereifen zu mieten. Die Straße begann sich zu winden und anzusteigen, immer höher hinauf.
Außer dem seinen waren keine Fahrzeuge unterwegs, und bald war die Straße auf beiden Seiten von dichten Tannenwäldern gesäumt. Die Fahrbahn war vereist und tükkisch. Die Temperatur sank rapide. Die Tannen waren mit gefrorenem Schnee bedeckt, und ihre Äste bogen sich unter der Last. Wie in Sibirien.
Norton lächelte. Dies war das ideale Territorium für das, was er vorhatte. An zahlreichen Stellen bot sich die Topographie für einen tödlichen Hinterhalt geradezu an. Er stellte sich vor, wie Tweed und seine Trabanten bis zum Frühling vom Angesicht der Erde verschwinden würden – erst dann würden die Wagen und die verrottenden Knochen ihrer Insassen wieder zum Vorschein kommen.
Auf der anderen Straßenseite fiel der Berghang steil ab.
Norton konnten hinunterblicken in eine tiefe Schlucht. Das Territorium wurde immer besser. Er zweifelte nicht daran, daß Tweed diese Straße hinauffahren würde, um Amberg im Chateau Noir aufzusuchen.
Er fuhr weiter die gewundene, steil aufwärts führende Straße entlang, immer gewärtig, auf unter dem Schnee verborgenes Eis zu geraten. Neben ihm lag aufgeschlagen die Karte, die die Frau im Bristol für ihn markiert hatte. Er warf häufig einen Blick darauf. Bald würde er auf die Nebenstraße abbiegen müssen, die zum Lac Noir führte.
Die schneidende Kälte durchdrang seinen
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