Todesspur
Amberg. Er kam einmal zusammen mit Gaunt in unser Londoner Büro. So habe ich Gaunt kennengelernt.«
»Als Sie Walter Amberg überprüften, wonach haben Sie da Ausschau gehalten? Waren Sie auch in der Schweiz?«
»Ja, auf Ihre zweite Frage. Was das betrifft, wonach ich Ausschau halten sollte, war Julius sehr präzise. Ob Walter eine teure Wohnung in einer anderen Stadt hätte. Was wollte er sonst noch wissen?« Sie befingerte mit ihrer freien Hand die Perlenkette, die auf ihrem Pullover lag. »Ich erinnere mich. Ob er eine Geliebte hätte. Wenn ja, war sie kostspielig gekleidet und hatte sie ihren eigenen Wagen? Hatte Walter weitere Wagen in anderen Städten? Und dergleichen mehr.
Alles Fehlanzeige – bis auf gelegentliche Besuche bei der armen Helen Frey. Darüber habe ich nicht Bericht erstattet, denn ich hatte die Nase voll. Und es gab noch einen anderen Grund. Gaunt hatte mir angeboten, zu ihm zu ziehen. Ich liebe Cornwall, die See und die Klippen.«
»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, und ich möchte, daß Sie sie ganz schnell beantworten. Ihre Jobs müssen Sie zu einer ungewöhnlich scharfen Beobachterin gemacht haben. Erste Frage. Beschreiben Sie das Gesicht des Schattenmannes.«
»Das kann ich nicht. Ich habe es nie gesehen.«
»Wie ist er gegangen, wie hat er sich bewegt?«
»Kann ich auch nicht sagen. Er stand immer regungslos da.«
»Aber Sie haben ihn mehrmals gesehen?«
»Ja. Schaute auf, sah ihn. Bezahlte, was ich gekauft hatte.
Dann war er verschwunden.«
»Vor der Wohnung am Bankverein, als Sie Ihre Schlüssel suchten.«
»Er stand an einer Ecke. Als ich wieder hinschaute, war er weg.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie nie gesehen haben, wie er sich bewegte?«
»Nie.«
»Haben Sie ihn je in Zürich gesehen?«
»Nein. Nur hier in Basel.«
»Wie oft haben Sie ihn gesehen?«
»Fünf- oder sechsmal. Nicht öfter.«
»Innerhalb welcher Zeitsspanne.«
»An den letzten beiden Tagen.«
»Nimmt sein Erscheinen an Häufigkeit zu?«
»Ja, das tut es. Tweed, was zum Teufel soll ich tun?«
»Sie wohnen bei Gaunt in seiner Wohnung am Bankverein?«
»Ja. Aber er ist viel unterwegs. Ich sagte es bereits.« »Sie fahren jetzt dorthin zurück. Ich besorge Ihnen ein Taxi. Bleiben Sie dort, bis Gaunt wiederkommt. Dann erzählen Sie ihm von dem Schattenmann.«
»Soll das ein Witz sein? Er wird sagen, er wäre ein Produkt meiner Einbildungskraft.«
»Ich besorge das Taxi…«
Der Empfangschef, der seinen Dienst gerade wieder begonnen hatte, telefonierte, und fünf Minuten später war ein Taxi da. Tweed begleitete Jennie hinaus in die eisige Kälte, und bevor sie einstieg, küßte sie ihn auf die Wange.
»Wir müssen uns bald wieder treffen«, waren ihre letzten Worte.
Tweed blieb noch ein paar Minuten auf dem Gehsteig stehen. Er wollte sicher sein, daß niemand Jennie folgte. Außerdem war er inzwischen überzeugt, daß sie die Wahrheit sagte. Ihre Geschichte über den Schattenmann beunruhigte ihn.
Er wollte gerade wieder hineingehen, als ein weißer BMW erschien und mit quietschenden Bremsen vor dem Hotel anhielt.
Gaunt sprang heraus. Er gab die Wagenschlüssel einem Portier, der durch die Drehtür herausgekommen war.
»Bringen Sie meinen Wagen in die Garage. Ich wohne hier. Gaunt ist mein Name.« Er schlug Tweed auf die Schulter. »Was für eine freudige Überraschung! Sie haben geahnt, daß ich komme. Brr! Ist das kalt hier draußen! Vorwärts marsch in die Bar. Die Runde geht auf mich …«
»Zwei doppelte Scotch«, wies er den Barmann an, als sie sich in der sonst leeren Bar niedergelassen hatten. »Und beeilen Sie sich. Ich brauche ein bißchen innere Zentralheizung …«
»Keinen Scotch für mich«, sagte Tweed entschlossen. »Mineralwasser.«
»Sie können wohl keinen Alkohol vertragen? Ein Mann mit Ihrer Erfahrung! Schämen Sie sich.«
»Sie sollten sich mehr um Jennie kümmern«, erklärte Tweed ihm rundheraus. »Sie ist total verängstigt – jemand verfolgt sie, jemand, dessen Beschreibung mir nicht gefällt.« Er wartete, bis Gaunt den Barmann bezahlt und ihm ein bescheidenes Trinkgeld gegeben hatte. Gaunt hob sein Glas.
»Auf daß die Besten überleben!«
»Ich sagte, Jennie wird von einem Unbekannten verfolgt.
Und ich fürchte, es ist durchaus möglich, daß ihr etwas Schlimmes passiert.«
»Unfug! Sie hat eine blühende Phantasie, und sie sieht verdammt gut aus. Kein Wunder, daß Männer sie bemerken und versuchen, sie näher kennenzulernen.«
»Gaunt!«
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