Todesspur
Tweed hieb sein Glas Mineralwasser auf den Tisch. »Halten Sie den Mund und hören Sie mir zu. In Zürich wurde eine Frau namens Klara brutal ermordet. Mit einem Stahldraht ihr Kopf war fast gänzlich von ihrem Hals abgetrennt. Jemand hat gesehen, wie der Mörder das Haus verließ. Die Beschreibung paßt auf den Mann, der Jennie verfolgt. Ist Ihnen das völlig egal?«
Er beobachtete Gaunt genau. Sein Kamelhaarmantel lag jetzt auf einem der Sessel. Er trug ein kariertes Sportjackett, eine Krawatte mit einem Muster aus Pferdeköpfen, eine Cordhose und handgearbeitete Schuhe. Das sandfarbene Haar war vom Wind zerzaust. Seine grauen Augen erwiderten Tweeds Blick. Seine Stimmung war plötzlich ernst geworden, und der straffe Mund war fest geschlossen. Tweed glaubte, den ehemaligen Geheimdienst-Offizier zu sehen.
»Mir ist, als hätte ich von dem Mord in der Zeitung gelesen. Bevor ich von Zürich abgefahren bin. Kann da wirklich ein Zusammenhang bestehen zwischen diesem Mord und dem Mann, der Jennie angeblich verfolgt?«
»Der Jennie tatsächlich verfolgt.«
»Woher wissen Sie das alles?« fragte Gaunt brüsk. »Hat Jennie Sie angerufen?«
»Sie war hier. Hat es mir erzählt, keine fünf Minuten, bevor Sie aufgekreuzt sind. Sollten Sie nicht lieber zurückfahren zu Ihrer Wohnung und nachsehen, ob mit ihr alles in Ordnung ist? Und zwar sofort«, sagte er mit Nachdruck.
»Ihr wird schon nichts passieren.« Gaunt starrte Tweed an.
»Morgen früh fahren wir nach Colmar im Elsaß. Bei Tagesanbruch sind wir schon aus Basel heraus.« »Weshalb nach Colmar?« fragte Tweed gelassen.
»Weil das die Gegend ist, in die sich Amberg zurückgezogen hat. Zu einem Ort, der Chateau Noir heißt. Hoch oben in den Vogesen. Ich komme gerade von einem kurzen Besuch bei Frau Kahn, seiner Assistentin in der Baseler Filiale der Zürcher Kreditbank. Mußte sie ein bißchen unter Druck setzen, um diese Information herauszuholen. Was ich erfahren habe, wird Sie vielleicht interessieren. Amberg muß etwas wissen über den letzten Besuch seines Zwillingsbruders in Tresilian Manor. Niemand bringt einen Gast in meinem Haus um und kommt dann ungeschoren davon. Und jetzt gehe ich. Denken Sie an das, was ich gesagt habe. Über das Überleben der Besten.«
Gaunt stand auf, nahm seinen Mantel und verschwand.
Tweed blieb noch einen Moment sitzen, bevor er in sein Zimmer zurückkehrte. Gaunt kam ihm nicht vor wie ein Mann, der Informationen preisgab, ohne einen bestimmten Zweck damit zu verfolgen. Und hatte in seiner letzten Bemerkung die Andeutung einer Drohung gelegen?
32. Kapitel
»Norton hier«, meldete sich der Amerikaner, als die Verbindung zum Präsidenten hergestellt war. Er gab ihm die Telefonnummer des Hotels Bristol. »Wenn Sie mich sprechen wollen, lassen Sie von Sara eine kodierte Nachricht durchgeben. Ich rufe dann so bald wie möglich zurück …«
»Den Teufel werden Sie tun. Ich brauche eine Nummer, unter der ich Sie sofort erreichen kann. Die Dinge kommen ins Rollen.«
»Etwas Besseres kann ich Ihnen nicht anbieten«, fauchte Norton.
»Na ja, wenn es nicht anders geht«, pflichtete March ihm in vorgetäuscht freundlichem Tonfall bei. »Und jetzt spitzen Sie die Ohren. Der Mann mit der knarrenden Stimme hat sich wieder gemeldet. Es geht um die Übergabe. Den Riesenhaufen Geld für den Film und das Tonband. Wo sind Sie jetzt? In Basel?«
»Nein, in Colmar, Frankreich. Am Fuß der Vogesen.«
»Haben Sie schon einmal von einem Nest gehört, das Kaysersberg heißt? Ich buchstabiere …«
»Nicht nötig. Ich bin vor einer Stunde durchgefahren.«
»Ach, wirklich? Abteilung für merkwürdige Zufälle.«
»Das verstehe ich nicht, Mr. President.«
»Sagen wir, es war ein Witz. In diesem Kaysersberg gibt es irgend so ein schäbiges Hotel. L’Arbre Vert. Sara sagt, das bedeutet Der Grüne Baum …«
»Ich habe es im Vorbeifahren gesehen.«
»Dort nehmen Sie sich ein Zimmer. Unter dem Namen Tweed.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
»Knarrstimme hat gesagt, Sie sollen es tun. Mein Abgesandter, wie er sich ausdrückte. Haben Sie das Geld da, wo es jederzeit erreichbar ist? Der Anruf kann schon morgen früh kommen. Es ist Ihre Sache, den Film und das Tonband zu beschaffen – und Knarrstimme. Fein säuberlich in einem Sarg verpackt. Die Ihnen zugemessene Zeit wird allmählich knapp. Enttäuschen Sie mich nicht, Norton.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Mr. President…«
Er redete ins Leere. March hatte den Hörer
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