Todesspur
in den Kopf schießen und die Leiche verschwinden lassen. Er konnte diesen erfreulichen Moment kaum abwarten.
Bevor Newman sich schlafen legte, war er noch einmal in die Brasserie hinuntergegangen, um sich eine große Flasche Mineralwässer zu holen. Er wachte oft nachts auf und fühlte sich dann wie ausgedörrt. In der Brasserie war man gerade beim Aufräumen. Der Boden wurde gefegt, die Theken abgewischt, die Gläser poliert. Newman war überrascht, Eve Amberg zu sehen, die mit einem Glas Champagner an einem der Tische saß. Sie hob ihm ihr Glas entgegen.
»Was gibt es denn zu feiern?« fragte er, nachdem er ihrer Einladung gefolgt war und sich zu ihr gesetzt hatte.
»Einen Sieg! Ich habe Walter Amberg festgenagelt. Er hat am Telefon einem Treffen morgen früh im Chateau Noir zugestimmt. Diesmal lasse ich nicht locker, bis ich das ganze Geld habe, das mir zusteht. Deshalb der Champagner. Feiern Sie mit mir, Bob.« Sie winkte den Kellner herbei und bestellte ein Glas, bevor Newman protestieren konnte. Als der Kellner den Champagner brachte, versuchte er sich etwas auszudenken, womit er sie bewegen konnte, ihren Besuch im Chateau Noir aufzuschieben.
»Zum Wohl!« Sie stießen an. »Wünschen Sie mir Glück bei Walter.«
Selbst zu dieser späten Stunde steckte sie noch voller Energie und guter Laune. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und hatte den Kopf so gedreht, daß sie ihn mit ihren grünlichen Augen mustern konnte. Ich muß auf der Hut sein, dachte Newman, sonst könnte ich mich in diese Frau verlieben.
Er machte sich Sorgen, daß Eve, wenn sie morgen früh in die Berge hinauffuhr, leicht in eine Zone geraten konnte, in der die Luft bleihaltig war. Sie würde bleihaltig sein – davon war Newman überzeugt. Norton würde sich alle Vorteile des Geländes zunutze machen, um Tweed und sein Team auszulöschen. In kleinerem Rahmen hatte er das bereits in der Bahnhofstraße in Zürich versucht, und er erinnerte sich daran, wie er selbst in Basel nur mit knapper Not und durch Becks Hilfe dem Überfahrenwerden entgangen war. Als er sprach, streichelte Eve seine Hand.
»Amberg hat Ihnen in letzter Zeit viel Ärger gemacht, indem er Ihnen absichtlich aus dem Wege gegangen ist. Jetzt hat er sich gnädigerweise bereiterklärt, Sie zu empfangen.
Sollten Sie da nicht den Spieß umdrehen? Ihn aus dem Gleichgewicht bringen? Rufen Sie ihn morgen früh an und sagen Sie ihm, Sie kämen erst übermorgen.«
»Sie kennen Walter nicht so, wie ich ihn kenne. Ich weiß Ihren Vorschlag zu würdigen. Bei vielen Männern würde er funktionieren. Aber nicht bei Walter. Er ist dickköpfiger als ein Maultier. Jetzt, wo ich ihn endlich so weit habe, daß er mich sehen will, muß ich meine Chance nutzen. Vielleicht hat er sich entschlossen, mich auszuzahlen, damit er mich los wird. Bei Walter hat man nur eine einzige Chance …« Sie brach ab, ohne den Kopf von Newmans Schulter zu nehmen, und starrte auf den Mann, der soeben die Brasserie betreten hatte. Es war Tweed.
»Wir feiern!« begrüßte Eve Tweed überschwenglich. »Champagner für Sie. Trinken Sie auf den Erfolg meines morgigen Ausflugs.«
Der Kellner war bereits mit einem frischen Glas Champagner erschienen. Tweed winkte ab und bestellte ein Glas Riesling.
»Hilft mir beim Einschlafen«, erklärte er Eve liebenswürdig. »Das ist der einzige Wein, den ich wirklich mag – und da ich im Elsaß bin, nutze ich die Gelegenheit, wann immer es geht. Danke«, sagte er zu dem Kellner, hob sein Glas und musterte Eve, die ihn von der Seite her ansah. »Und was feiern wir zu dieser späten Stunde?«
Newman erläuterte Eves Pläne, wies darauf hin, daß er versucht hatte, sie dazu zu überreden, daß sie vierundzwanzig Stunden wartete. Tweed begriff sofort, weshalb Newman versuchte, sie zum Verschieben ihres Besuchs im Chateau Noir zu bewegen. Während er Newman zuhörte, wendete Eve ihren Blick keine Sekunde lang von Tweed ab, und ihre vollen Lippen bewegten sich leicht. Es war eine Situation, die Tweed nicht unvertraut war – eine attraktive Frau, die zu flirten versuchte, die vorgab, sich für einen Mann zu interessieren, während sie ihr eigentliches Ziel aufs Korn nahm.
Das, wie er argwöhnte, in diesem Fall er selbst war.
Zu Newmans Überraschung unterließ es Tweed, seinen fehlgeschlagenen Versuch, Eve zur Verschiebung ihres Besuchs im Chateau Noir zu bewegen, zu unterstützen. Tweed nippte an seinem Riesling, hielt Eves einladendem Blick stand und bezog dann eine
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