Todesspur
Podest und dem großen Fenster mit seinem grandiosen Ausblick über die Vogesen, die flache Ebene und in weiter Ferne den Schwarzwald. Tweed musterte den kleinen, dicklichen Schweizer mit dem glatt zurückgebürsteten schwarzen Haar und den dichten Brauen über den klugen Augen. Ob er immer diesen deprimierenden schwarzen Anzug trägt? fragte sich Tweed.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Amberg und deutete auf den niedrigen Sessel, der unterhalb des Podestes stand.
»Danke. Ich bin sicher, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich mich zu Ihnen geselle«, sagte Tweed mit seiner verbindlichsten Stimme.
Er ergriff den Sessel, stieg auf das Podest, ging um den großen Schreibtisch herum, stellte den Sessel neben den von Amberg und ließ sich ihm gegenüber darauf nieder.
»Wo liegt das Problem?« fragte Amberg verdrießlich. »Ich habe nicht viel Zeit.«
»Sie haben alle Zeit der Welt«, versicherte ihm Tweed, »aber als erstes möchte ich den Film sehen und das Tonband hören die zwei Sachen, die Joel Dyson bei Ihnen deponiert hat.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, fuhr der Schweizer auf und schürzte seine schmalen Lippen.
»Ich rede von Mord in großem Ausmaß. Dem Massenmord in Tresilian Manor in Cornwall.« Tweeds Verhalten war nicht mehr verbindlich. »Und ich rede von den Morden an Helen Frey, ihrer Freundin Klara und dem Privatdetektiv Theo Strebel, die alle an Ihrem Heimatort begangen wurden – in Zürich.« Er hielt inne. Amberg sah ihn mit ausdrucksloser Miene an, aber Tweed glaubte, in diesen ausdruckslosen Augen einen Anflug von Bestürzung zu entdecken. »Theo Strebel war ein ehemaliger Angehöriger der Züricher Mordkommission, ein guter Freund von Arthur Beck, der, wie Sie wissen, Chef der Schweizer Bundespolizei ist. Außerdem ist Beck zufällig auch ein guter Freund von mir. Also rücken Sie den Film und das Tonband heraus, sonst werden Sie in dem Moment, in dem Sie nach Zürich zurückkehren, von Beck erwartet. Wofür entscheiden Sie sich?«
Tweed hatte, was sonst nicht seine Art war, seine sämtlichen Kanonen in einem verbalen Trommelfeuer auf einmal abgefeuert. Die Wirkung war erstaunlich. »Es ist eine Frage der Ethik«, begann Amberg mit schwacher Stimme. »Joel Dyson hat uns diese Dinge zur Aufbewahrung übergeben.«
»Vergessen Sie die Ethik. Dyson kann inzwischen tot sein.
Seit er in Ihrer Bank in der Talstraße war, hat ihn niemand mehr gesehen. Das war übrigens«, sagte er scheinbar nachdenklich, »das letzte Mal, daß er lebend gesehen wurde. Eine weitere Tatsache, die Beck interessieren wird.«
»Ich habe einen kleinen Kinosaal im Untergeschoß«, sagte Amberg.
»Und der Film und das Tonband?«
»Sie liegen hier in einem Safe. Ich werde sie jetzt holen.
Wir haben auch ein Gerät, auf dem wir das Band abspielen können.«
»Gut. Der Film muß mit den Geräuschen auf dem Band synchronisiert werden. Und Gaunt wäre auch gern dabei.
Endlich kommen wir voran.«
42. Kapitel
Wie ein General, der eine Schlacht plant, stand Mencken in dem Landrover mit Allradantrieb, mit dem er in die Vogesen hinaufgefahren war. Da er damit rechnete, in unwegsamem Gelände fahren zu müssen, hatte er den Wagen bereits in Basel gemietet.
Von dort aus, wo er das Fahrzeug geparkt hatte – am Rande eines Tannenwäldchens – konnte er auf das Chateau Noir herabblicken und den Innenhof durch ein Fernglas im Auge behalten. Auf dem Rücksitz saßen zwei Männer, die mit Maschinenpistolen bewaffnet waren.
»Der Angriff erfolgt genau um zwölf Uhr. Überprüft eure Uhren«, befahl Mencken. »Es ist jetzt fünfzehn Minuten vor zwölf. Wiederholt die Anweisungen, die ich euch erteilt habe. Wortwörtlich, sonst breche ich euch das Genick.«
»Um zwölf«, begann Eddie, »sprenge ich das Tor, damit die Wagen mit der Mannschaft in den Hof fahren können.«
»Hank?« drängte Mencken.
Eddie und Hank waren die beiden Männer, die im Begriff gewesen waren, Jennie Blade zu foltern, als Tweed und seine Männer im Hotel Bristol in ihr Zimmer gestürmt kamen. Beide standen auf Menckens Liquidationsliste, aber vielleicht würde ihm bei dem bevorstehenden Angriff jemand die Arbeit abnehmen.
»Eine Minute vor zwölf«, erklärte der hochgewachsene, magere Hank, »setze ich den elektrisch geladenen Draht auf der äußeren Mauer außer Betrieb. Die Teleskopleitern sind an Ort und Stelle …«
»Okay«, unterbrach ihn Mencken. Er zog die Antenne seines Walkie-Talkies heraus. »Ich rufe Blau, Grün, Gelb, Orange,
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