Todesspur
näherte, in dem er Amberg gegenübertreten würde, von weiblichen Streitereien ablenken zu lassen.
»Wenn ihr beide den Mund halten würdet, könnte ich vielleicht ein bißchen" nachdenken. Also kein weiteres Wort.
Jetzt kann es eigentlich nicht mehr weit sein.«
»In ungefähr fünf Minuten haben wir den Gipfel erreicht«, meldete Paula, die trotz des Wortwechsels mit Jennie weiter die Karte studiert hatte. »Von da aus scheint es bis zum Chateau nur ein Katzensprung zu sein.«
Tweed schaute in einem Moment nach vorn, in dem die Straße in einem Winkel von vierzig Grad aufwärts führte.
Butler, der immer noch auf seinem Motorrad vorausfuhr, hielt kurz an, winkte Newman weiter und setzte dann seine Fahrt fort.
Ein Blick über seine Schulter ließ Tweed beinahe schwindelig werden. Jetzt, da der Wagen in diesem steilen Winkel aufwärtsfuhr, schaute er direkt hinab in die tödliche Stille des Lac Noir der so tief unter ihnen lag, daß er fast gegen einen Anfall von Höhenangst ankämpfen mußte.
»Schaut nicht zurück«, warnte er Paula und Jennie. »Das ist ein Befehl.«
Hinter dem Espace fuhr Nield den Kombi die steile Anhöhe hinauf, während Cardon auf seinem Motorrad nach wie vor die Nachhut bildete. Die Taktik, der sie sich zuvor bedient hatten daß die beiden Motorräder sich abwechselnd vor und hinter die Wagen setzten – war jetzt unmöglich. Jeder Versuch Cardons, den Kombi oder den Espace zu überholen, hätte unweigerlich damit geendet, daß er mit seiner Maschine von der Straße abkam.
»Ich glaube, wir sind oben angekommen«, rief Paula, außerstande, die Erleichterung zu unterdrücken, die sie empfand.
Butler hatte abermals angehalten, drehte sich im Sattel um und spreizte die Finger zum Siegeszeichen. Die Straße wurde eben. Paula riskierte einen kurzen Blick nach hinten und sah nur einen Felsvorsprung, der jeden Blick auf den See oder das Panorama dahinter versperrte. Sie schaute wieder nach vorn.
»Wir haben es geschafft! Dort ist das Chateau Noir. Ein gräßlicher Bau, aber es ist eine Wohltat, wieder auf einer ebenen Straße zu sein.«
»Ich möchte hier nicht wohnen«, bemerkte Tweed. »Seht euch diesen Bau an – die reinste Festung.«
Paula betrachtete die hohe Granitmauer, die die Burg umgab, den gewaltigen, quadratischen Bergfried, der alle anderen Teile des düsteren Bauwerks überragte. Newman hatte den Espace nahe der Mauer geparkt, aber außer Sichtweite des hohen, schmiedeeisernen Tors, das den Eingang versperrte.
Nield parkte seinen Kombi hinter dem Espace und stieg aus, um mit Tweed zu sprechen. Butler und Cardon gesellten sich zu ihnen. Tweed war aus dem Espace ausgestiegen und reckte sich, um die Steifheit in Armen und Beinen loszuwerden. Es war eine ziemlich anstrengende Fahrt gewesen.
»Wie gehen wir vor?« fragte Newman, als auch Paula und Jennie in die eiskalte Luft herausgekommen waren.
»Taktvoll – bis wir drinnen sind«, entgegnete Tweed.
Paula sah sich um, froh, daß sie gleichfalls Gelegenheit hatte, ihre Gliedmaßen aufzulockern, die sich vor Angst und Nervosität verspannt hatten. Zumindest auf dieser Seite des Chateaus standen sie im vollen Licht der Sonne, die von einem klaren blauen Himmel herabstrahlte. Dennoch lag über allem die bedrängende Stille der Hochvogesen, und sie stampfte mit ihren Stiefeln auf den eisenharten Schnee, um zu verhindern, daß sie zitterte. Cardon deutete auf einen Draht oberhalb der Mauer, der außer Sichtweite verschwand.
»Unter Strom«, bemerkte er. »Aber ich hoffe/ Amberg verläßt sich nicht allzusehr auf diesen Draht – ich könnte ihn binnen fünf Minuten außer Betrieb setzen.« Tweed sah auf die Uhr, dann wendete er sich an Nield, Butler und Cardon.
»Ich gehe hinein und verlange, daß Amberg euch mit uns einläßt. Sobald ihr drinnen seid, seht ihr euch das gesamte Gelände an. Haltet Ausschau nach Schwachstellen, an denen ein Angriff erfolgen könnte. Plant eine Verteidigung der Burg.«
»Sie rechnen mit einer Attacke?« fragte Newman.
»Es war von Anfang an Nortons Ziel, diesen mysteriösen Videofilm und das Tonband in die Hände zu bekommen. Er wird dasselbe denken wie ich – daß Amberg beides hat. Und deshalb ist eine Attacke möglich – sogar wahrscheinlich.
Und nun wollen wir hoffen, daß Amberg zuhause ist…«
Tweed ließ die anderen in der Deckung der Mauer zurück. Er ging auf das geschlossene Tor zu und drückte auf den Knopf der Sprechanlage, die in den linken Torpfosten eingelassen war. Er
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