Todesspur
Sie es vielleicht schaffen, Norton abzuhängen.«
»Washington? Ich habe Ihnen doch gesagt – ich komme aus dem Mittleren Westen. Was soll dieser Unsinn mit Washington? Und Norton? Wer zum Teufel soll das sein?«
Er redete zu sich selbst. Tweed war davongegangen und verließ bereits das Restaurant. Newman folgte ihm, und nur Nield blieb zurück und behielt den Amerikaner im Auge.
Als die anderen verschwunden waren, stand Nield gleichfalls auf, bückte sich und klopfte Mencken auf die Schulter.
»An Ihrer Stelle würde ich noch zehn Minuten hier sitzen bleiben. Andernfalls könnte es passieren, daß die Polizei Sie draußen verhaftet. Sie interessiert sich sehr für das Schießeisen, das unter Ihrer Achselhöhle steckt. Tun Sie sich selbst einen großen Gefallen. Fangen Sie gleich an, die Minuten zu zählen …«
»Ich glaube, ich habe erreicht, was ich wollte«, sagte Tweed zu Newman, als sie auf den Bahnhofsausgang zugingen.
»Und was war das?«
»Master Mencken aus der Fassung zu bringen – an seinem Käfig zu rütteln. Vor allem aber dafür zu sorgen, daß er mich unterschätzt. Früher oder später wird er Norton über diese Begegnung Bericht erstatten. Ich will, daß sie nicht auf der Hut sind bei der endgültigen Konfrontation …« Butler begleitete sie zu dem Espace. Barton Ives hatte genau das getan, um was Tweed ihn vor dem Verlassen des Zuges gebeten hatte. Er hatte Amberg zu dem Espace eskortiert, der direkt vor dem Bahnhof stand. Die beiden Männer saßen auf den Rücksitzen, und Ives sah Tweed und seine Begleiter herankommen.
Paula, die davon ausging, daß Tweed wieder fahren wollte, hatte sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen. In der Reihe dahinter saß Eve an Ambergs Seite. Vermutete sie etwa auch, daß der Schweizer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit versuchen würde, sich davonzumachen?
Tweed setzte sich hinter das Lenkrad, während Newman hinten einstieg. Tweed machte die Tür zu, dann drehte er sich plötzlich zu Amberg um, der mürrisch schweigend dasaß, und tippte dem Bankier aufs Knie.
»Sie haben gesagt, der Schlüssel zu dem Schließfach in Lausanne befände sich in Ihrer Filiale hier am Bankverein.
Ich fahre jetzt dorthin. Sie werden, von Newman begleitet, die Bank auf schließen, hineingehen, den Schlüssel holen und sofort wieder zurückkommen. Haben Sie mich verstanden?«
»Um diese Zeit sind die Alarmanlagen eingeschaltet…«, begann der Bankier.
»Und Sie wissen, wie man sie ausschaltet, damit sie nicht halb Basel aufwecken. Versuchen Sie nicht, irgendwelche Spielchen mit mir zu spielen. Dafür bin ich jetzt nicht mehr in der rechten Stimmung.« Er wendete sich an Newman.
»Wo ist Cardon?«
»Er wird gleich kommen. Er hat darauf bestanden, im Eingang des Hotels da drüben versteckt Wache zu halten. Kurz bevor wir in das Restaurant gingen, hat er mir gesagt, er würde draußen aufpassen. Cardon ist ein kluger Mann …«
Als Tweed sich wieder ans Steuer gesetzt und den Motor angelassen hatte, schaute er sich um. An diesem kalten Abend hielt sich niemand vor dem Bahnhof auf. Eine Straßenbahn, ockerfarben und kleiner als die Zürcher Straßenbahnen, ratterte auf eine nahegelegene Haltestelle zu, an der niemand wartete. Die leere Straßenbahn kam Paula vor wie ein Symbol der trostlosen Atmosphäre von Basel an einem Abend im März. Sie hatte ganz bewußt nichts zu Tweed gesagt, weil sie spürte, daß er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Er sah, wie Butler und Nield auf den Kombi zueilten, und wartete, bis sie eingestiegen waren. Zur Zürcher Kreditbank.
Tweed folgte den Straßenbahnschienen durch eine menschenleere Straße, die sich wand und stetig abfiel – zum Rhein und dem Hotel Drei Könige hin, in dem sie gewohnt hatten. War das eine Million Jahre her? Keine anderen Fahrzeuge waren unterwegs, und Paula kam die Straße, zu beiden Seiten gesäumt von hohen, massiven Steingebäuden, unheimlich und bedrückend vor. Im Außenspiegel sah Tweed, daß der Kombi mit Butler und Nield dicht hinter ihnen war.
»Sollte hinter der nächsten Ecke sein, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Tweed, der ihr Unbehagen spürte.
»Die Leute in Basel gehen früh ins Bett«, bemerkte sie.
»Hier gibt es wohl nicht viel, was das Aufbleiben lohnen würde«, erwiderte Tweed.
»Halten Sie an! In der Bank brennt Licht. Da ist jemand eingebrochen…«
Ambergs Stimme klang überraschend befehlend und kraftvoll. Tweed blinkte und fuhr an den Bordstein. Dann löste er
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