Todesspur
seinen Gurt, drehte sich auf seinem Sitz um und musterte den Bankier und Eve, die ihm eine Hand auf den Arm gelegt hatte, um ihn zurückzuhalten.
»Da ist eine Frau in der Bank, die für Sie arbeitet…«, begann Tweed.
»Die kann es nicht sein«, beteuerte Amberg aufgeregt.
»Karin macht immer früh Feierabend und kehrt immer um die gleiche Zeit in ihre Wohnung zurück.«
»Und immer auf dem gleichen Weg?« fragte Tweed.
»Ja. Es ist der kürzeste. Selbst wenn sie noch einkaufen will, geht sie zuerst nach Hause und holt ihren Korb …«
»Immer um die gleiche Zeit und auf dem gleichen Weg?«
wiederholte Tweed.
»Ja. Das sagte ich doch schon …«
Also sind sogar die Schweizer Sicherheitsvorkehrungen nicht unfehlbar, dachte Tweed. Was passiert sein mußte, lag auf der Hand. Jemand war Karin nach Hause gefolgt, nachdem er ihre Routine ausgekundschaftet hatte. Dann hatte er sie, womöglich mit vorgehaltener Waffe, gezwungen, nach Einbruch der Dunkelheit mit den Schlüsseln zur Bank zurückzukehren. Er war schlau genug gewesen, mit der Alarmanlage zu rechnen, und hatte sie gezwungen, sie auszuschalten. Jetzt waren sie drinnen, und bestimmt war sie über den Schlüssel zu dem wichtigen Schließfach informiert. Tweed glaubte zu wissen, weshalb Mencken in dem Bahnhofsrestaurant gesessen hatte – er hatte darauf gewartet, daß seine Gangster ihre Arbeit taten.
»Ich gehe hinein und sehe nach, was da vor sich geht«, sagte Newman; er war ausgestiegen und stand jetzt neben Tweeds offenem Fenster. In der rechten Hand hielt er seinen Smith & Wesson.
»Nehmen Sie Butler und Nield mit«, befahl Tweed.
»Durchaus möglich, daß mehrere Bewaffnete da drin sind.«
»Und deshalb komme ich auch mit«, sagte Cardon, der neben Newman aufgetaucht war.
»Ich auch«, sagte Paula, den Browning bereits in der Hand.
»Sie bleiben hier und beschützen mich«, wies Tweed sie an. Paula biß sich auf die Lippe, machte den Mund auf und schloß ihn dann wieder, ohne etwas zu sagen. Tweed hatte sie geschickt mattgesetzt. Newman mußte Ambergs Arm umklammern und ihn auf diese Weise zwingen, das Team zu begleiten.
»Ich wüßte zu gern, was zum Teufel da drinnen los ist«, bemerkte Paula laut.
»Ich übernehme die Führung«, erklärte Newman den anderen. »Die Sache gefällt mir nicht. Sie haben vergessen, die Tür richtig zuzumachen …«
Nur im ersten Stock brannte Licht. Das Foyer war eine dunkle Höhle. Newman blieb stehen und hielt die anderen mit der linken Hand zurück, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er hätte gern seine Taschenlampe benutzt, aber es konnte sein, daß sie am oberen Ende der breiten, gewundenen Treppe, die jetzt sichtbar wurde, einen Posten aufgestellt hatten. Die Treppe hatte ein schmiedeeisernes Geländer, und der Fußboden des Foyers bestand aus Marmor. Manche Schweizer Banken zeigten ihren Kunden gern, daß sie zum richtigen Ort gekommen sind.
»Ich kann nichts hören«, flüsterte ihm Cardon ins Ohr. »Es ist zu still. Vielleicht sind sie schon wieder abgehauen …«
»Wir gehen davon aus, daß da oben eine Armee auf uns wartet«, flüsterte Newman zurück.
Sich am Treppengeländer festhaltend, begann er, die Stufen hinaufzusteigen. Seine gummibesohlten Schuhe machten keinerlei Geräusch, während er immer höher hinaufstieg – der erste Stock lag erstaunlich hoch über dem Erdgeschoß.
Dann hörte er eine Stimme.
»Also los, meine Liebe, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit. Bevor ich Ihr hübsches Gesicht für immer zerstöre, sollten Sie den verdammten Safe öffnen und den Schlüssel herausholen …«
Die Stimme hatte Englisch mit einem Oberschicht-Akzent gesprochen. Da sie durch die Entfernung leicht verzerrt war, mußte Newman an Gaunt denken, der Butler am Bahnhof mitgeteilt hatte, daß er sofort nach Lausanne weiterfahren würde. Eine kurze Bemerkung von Butler, die kaum in sein Bewußtsein eingedrungen war. Bis jetzt…
»Nein! Nicht! Bitte! Ich tue es …«
Eine Frauenstimme, die gleichfalls Englisch sprach, eine Frauenstimme, die höchste Panik verriet. Newman sprang die letzten paar Stufen hinauf, mit Cardon auf den Fersen und den anderen dicht dahinter. Er rannte über den Flur zu einer offenstehenden Tür und stürmte mit vorgehaltener Waffe hinein. Dann blieb er verblüfft stehen.
Ein Mann hielt einer Frau, die gerade vor einem großen Safe stand und das Kombinationsschloß einstellte, ein Messer an die Kehle. Ein kleiner, schmächtiger Mann in den
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