Todesspur
ein freies Land. Wir sind in der Schweiz.«
Menckens Aggressivität begann zu schwinden. Noch vor ein paar Minuten war er sicher gewesen, daß er Nield in die Finger bekommen würde. Jetzt war er derjenige, der gestellt worden war. Er verfluchte die Tatsache, daß er seine sämtlichen Leute nach Lausanne geschickt hatte. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß die Blondine das Restaurant verlassen hatte, daß es leer war bis auf ihn und die Männer, die ihn verhörten. Sogar das Personal schien verschwunden zu sein. Um diese Jahreszeit – März – und zu dieser späten Stunde.
»Ist Amerika heutzutage auch ein so freies Land?« fragte Tweed. »Wenn man bedenkt, was für Leute dort an der Macht sind? Da wir gerade von Macht reden – wie geht es meinem alten Freund Norton?«
»Hören Sie …« Mencken redete schnell, offenbar in dem verzweifelten Versuch, Tweed davon zu überzeugen, daß er nicht wußte, wovon die Rede war. »Hören Sie, ich bin leitender Angestellter einer Firma, die Werkzeugmaschinen verkauft. Die Geschäfte gehen miserabel…«
»Verkaufen Sie in den Vogesen viele Werkzeugmaschinen?« fragte Newman.
»Wenn Sie mich nicht endlich in Ruhe lassen, rufe ich die Polizei…«
Menckens Anspannung zeigte sich in seinem unruhigen Blick, in der Art, seine Zigarette zu rauchen und darauf zu achten, den Rauch von Tweed fernzuhalten. Marvin Menckens Nervenenden lagen bloß.
»Die Polizei können Sie haben«, versicherte ihm Newman. »Aus der obersten Schublade. Zufällig ist der Chef der Bundespolizei gerade hier im Bahnhof. Möchten Sie, daß ich ihn hole? Sie brauchen es nur zu sagen.«
»Hören Sie, meine Herren, mit etwas dergleichen habe ich nicht gerechnet. Ich habe einen langen Tag hinter mir. Nichts als Streß.« Er wendete sich an Newman. »Das kennen Sie doch sicher. Damit hat man zu tun, wenn man weit von zuhause fort ist. Streß. Was soll das alles eigentlich?«
»Vielleicht könnten wir mit Ihrem Namen anfangen?«
schlug Tweed vor.
»Klar. Warum nicht? Ich bin Marvin Mencken …«
»Und für wen arbeiten Sie?« fragte Tweed weiter.
»Für eine Firma im Mittleren Westen. Ich habe den Eindruck, Sie haben mich mit jemandem verwechselt. Richtig?«
»Nein, nicht richtig.« Tweed schüttelte den Kopf, nach wie vor gelassen, fast beiläufig. »Sie könnten Gott weiß wie viele Jahre in einem Schweizer Gefängnis verbringen. Nicht sehr gemütlich, die Schweizer Gefängnisse. Hierzulande hält man sehr viel von Bestrafung für kriminelle Handlungen.«
»Was für kriminelle Handlungen?« Mencken drückte seine Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an. »Ich sagte es bereits, Sie müssen mich mit jemandem verwechseln …«
»Die Bombe, die der vorgebliche Rollstuhlfahrer in der Bahnhofstraße in Zürich geworfen hat«, fuhr Tweed unerbittlich fort. »Beck, der Polizeichef, hat den Fall selbst übernommen. Ein harter Mann.«
»Ich weiß nichts von einer Bombe«, protestierte Mencken.
Er schwitzte. Auf seiner niedrigen Stirn standen dicke Schweißperlen. Newman reichte ihm ein Taschentuch.
»Nehmen Sie das und wischen Sie sich das Gesicht ab.«
Mencken nahm das Taschentuch. Um seine Angst nicht zu zeigen, holte er sein eigenes Taschentuch hervor, wischte sich den Schweiß ab und gab Newman seines zurück.
»Da sehen Sie, in welche Verfassung Sie mich gebracht haben. Was soll das sein? Der dritte Grad? Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen …«
»Und dann war da der Massenmord in Cornwall in England. Acht Leute, die von einem maskierten Killer kaltblütig erschossen wurden.«
»Ein Massenmord? In England?« Mencken war hochgefahren. »Sie müssen wirklich verrückt sein. Cornwall, sagten Sie? Wo liegt das? Da war ich noch nie. Das ist absurd. Sie sind wirklich an den Falschen geraten.« Tweed hatte den Amerikaner genau beobachtet und ihm ebenso genau zugehört. Zum ersten Mal lag Nachdruck in seiner Stimme, der Nachdruck eines Mannes, der die Wahrheit sagt.
Nield hatte den Eingang des Restaurants im Auge behalten. Jetzt sah er, wie Butler kurz auftauchte und den Daumen hochreckte. Er hatte sich um Menckens Renault gekümmert. Butler verschwand wieder, und Nield nickte Tweed zweimal zu. Tweed seufzte, sah auf die Uhr, schob seinen Stuhl zurück, stand auf und wendete sich, abermals mit beiden Händen in den Taschen, an Mencken.
»Ich rate Ihnen, morgen früh die erste Maschine nach Zürich zu nehmen. Von dort aus können Sie nonstop nach Washington fliegen. Dann könnten
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