Todesspur
für Auswärtige Angelegenheiten, trank einen Schluck von dem vorzüglichen Kaffee, den er hatte servieren lassen; dann musterte er seine Gäste.
Der kleine Mann in den Fünfzigern mit dem rundlichen Gesicht war der mächtigste Bankier in den Vereinigten Staaten. Neben ihm saß ein Mann, der den Ruf eines überaus erfahrenen Politikers genoß. Dieser Mann war mittelgroß und von kräftigem Körperbau und trug einen eleganten Anzug und eine Hornbrille. Durch die Gläser hindurch musterten merkwürdig durchdringende Augen die anderen beiden Männer. Der Senator eröffnete die Sitzung und kam sofort zur Sache.
»Das Verhalten des Präsidenten gefällt mir von Tag zu Tag weniger. In Europa brauen sich zwei schwere Krisen zusammen, und beide könnten sich auf unsere Interessen sehr nachteilig auswirken.«
»Und March unternimmt nichts, um Europa zu unterstützen«, erklärte der Politiker. »Alles, woran er denken kann, ist sein Amerika zuerst, zuletzt und jederzeit.«
»Mit diesem Slogan hat er die Wahl gewonnen«, erinnerte der Bankier.
»Man kann “Amerika zuerst“ als den besten Grund für unsere Intervention in Europa interpretieren, dafür, daß wir den Briten in dieser Situation beistehen«, erwiderte der Politiker scharf. »Die Geschichte hat schließlich hinlänglich bewiesen, daß der europäische Kontinent unsere vorderste Linie ist. Der Vizepräsident hat für auswärtige Angelegenheiten mehr Verstand im kleinen Finger als March in seinem häßlichen Affenkopf.«
March hatte sich für Jeb Calloway als seinen Vizepräsidenten entschieden, weil er aus Philadelphia stammte und im Nordwesten sehr populär war.
»Calloway ist ein ganz anderer Mensch«, pflichtete Wellesley ihm bei. »Ein kultivierter Mann mit globaler Weitsicht.
Aber trotzdem nur Vizepräsident.«
»Und damit nicht mehr als eine dekorative Figur, die nichts zu sagen hat«, erinnerte ihn der Bankier. »Also was können wir tun?«
»Politik ist die Kunst des Möglichen«, sagte der Senator besänftigend. »Bisher hat March nichts getan, um dessentwillen wir ihn öffentlich kritisieren können. Er ist gerissen und weiß, wie das Spiel in Washington gespielt werden muß. Uns bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
»Sie sagten, Sie hätten Gerüchte gehört, denen zufolge March eine eigene paramilitärische Streitmacht aufstellt«, erinnerte ihn der Politiker.
»Gerüchte. Nichts Greifbares. In Washington wimmelt es von Gerüchten. Diese Privatarmee könnte eine Falle sein, die March aufgestellt hat. Wenn wir wegen etwas, was nichts als ein Gerücht ist, an die Öffentlichkeit treten, dann beweist er uns, daß wir spinnen, und wir büßen jeden Einfluß ein, den wir vielleicht haben.«
»Ich könnte ein Statement abgeben und seine Untätigkeit in der Außenpolitik kritisieren«, beharrte der Politiker. »Darauf hinweisen, daß Außenpolitik überhaupt nicht stattfindet.
Das könnte Calloway veranlassen, den Präsidenten zu sofortigem Handeln zu drängen.«
»Ich bin nach wie vor dafür, daß wir Stillschweigen bewahren«, erwiderte Wellesley.
In gewissen Kreisen, zu denen nur sehr wenige alterfahrene Männer in Washington gehörten, kannte man sie als die »Drei Weisen«. Wellesley war sehr daran gelegen, daß sie im Schatten blieben.
Sie redeten noch eine Weile länger. Der Bankier konnte sich nicht mehr zurückhalten und gab seiner Meinung mit ungewöhnlicher Vehemenz Ausdruck.
»Der Präsident hat nichts unternommen, um unser Riesendefizit zu verringern. Amerika steht vor dem Bankrott.
Bei der Art, wie er unsere Schulden anwachsen läßt, steht uns eine Krise im eigenen Lande bevor.«
»Er ist immer noch sehr populär«, warnte der Senator.
»Ich rate Ihnen beiden, nichts in der Öffentlichkeit verlauten zu lassen, bevor wir uns das nächste Mal getroffen haben.«
Er sah auf die Uhr. »Und ich muß in einer halben Stunde im Senat sein …«
Er begleitete sie höflich in die Diele und gab ihnen die Hand, achtete aber darauf, daß er, als die Haustür geöffnet wurde, nicht zu sehen war. Der Politiker und der Bankier verließen das Haus einzeln und im Abstand von fünf Minuten. Beide wurden von einer Limousine mit Chauffeur erwartet.
Nachdem Wellesley in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt war, beschloß er, einige diskrete Erkundigungen einzuziehen. Das Problem bestand immer darin, jemanden zu finden, der hinterher den Mund halten würde. Obwohl er sich während der Zusammenkunft gelassen und würdevoll gegeben hatte,
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