Todesstatte
insbesondere an diejenigen, die ganz hinten hingen und nicht mehr getragen wurden.
Robertson saà mit verschränkten Fingern da, während Cooper ihm die Informationen übermittelte, die er preisgeben durfte.
»Glyzerin, Phenol und Formaldehyd?«, fragte der Professor, nachdem Cooper fertig war. »Das niederträchtigste Dreigespann, das ich mir vorstellen kann.«
»Soweit ich weiÃ, sind das alles Inhaltsstoffe von Einbalsamierungsflüssigkeit.«
»Ganz richtig. Formaldehyd verlangsamt den Proteinabbau und führt dazu, dass sich das Muskelgewebe verhärtet. Deshalb lassen sich die GliedmaÃen eines einbalsamierten Leichnams kaum noch bewegen. Die Muskeln sind nicht mehr so flexibel wie bei Lebenden.«
»Oh?« Cooper war überrascht, dass er sich bildlich vorstellen konnte, wie der Professor an einem Leichnam herumhantierte.
»Glyzerin macht das Gewebe weich und reduziert den Flüssigkeitsverlust. Eine antibakterielle Substanz wie Phenol verhindert die Aufspaltung durch Mikroorganismen.«
»Mit anderen Worten, es verzögert die Verwesung.«
»So ist es. Die Einbalsamierung sorgt im Grunde genommen dafür, dass die Proteine gerinnen, sich vorübergehend verhärten und erhalten bleiben. Die Arbeit eines Balsamierers ist gewissermaÃen eine Kunst der Verleugnung, das Erschaffen einer Illusion. Der Leichnam wird für seinen letzten Auftritt entleert, ausgestopft und geschminkt.«
Entleert, ausgestopft und geschminkt. Cooper speicherte diese Formulierung im Gedächtnis.
»Kennen Sie zufällig das Alder-Hall-Anwesen, Sir? Es befindet sich im Wye Valley, nicht weit von Edendale entfernt.«
»Ich glaube, der Name sagt mir etwas. Und in welchem Zusammenhang könnte ich schon von Alder Hall gehört haben?«
»Es gibt dort eine Gebeinsammlung. In einer Gruft unter dem Herrenhaus.«
»Ah. Relikte aus dem Bürgerkrieg?«
»Ja, Sir. Waren Sie schon mal dort?«
»Nein, ich glaube nicht. Wie heiÃt die Familie?«
»Saxton. Und was ist mit einer Dame namens Madeleine Chadwick? Sie ist die letzte Saxton.«
Robertson schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht ganz...«
»Was können Sie mir über Ossarien sagen?«, erkundigte sich Cooper. »Ist das die richtige Bezeichnung für die Orte, an denen Gebeine aufbewahrt wurden?«
»Ja, aber die Gruft von Alder Hall ist doch kein Ossarium, oder? Wenn ich mich recht entsinne, wurden die Knochen woanders gefunden.«
»Ja, Sir.«
Robertson wartete auf eine Erklärung, doch Cooper schwieg. Er rechnete damit, dass der Professor Stille nicht ertragen und sich verpflichtet fühlen würde, sie mit dem Klang seiner Stimme zu füllen.
»Viele Ossarien entstanden, als ein Mangel an geeigneten Plätzen für Friedhöfe herrschte«, erklärte Robertson und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wenn man starb, durfte man sein Grab nur ein oder zwei Jahre belegen, dann wurde man wieder exhumiert, damit jemand anderer den Platz einnehmen konnte. Oft häuften sich riesige Mengen von sterblichen Ãberresten an. Manche Hinterbliebene gingen einmal im Jahr zu den Gebeinen ihrer verstorbenen Angehörigen und wickelten sie in frische Tücher ein, solange sich noch etwas Fleisch an ihnen befand. Selbstverständlich schreitet die Verwesung an der Luft viermal schneller voran. Die Beerdigung dagegen verlangsamt diesen Prozess.«
Cooper dachte an die ersten Botschaften des anonymen Anrufers. Er hatte mehrmals von Verwesung gesprochen. Die duftenden fleischlichen Gärten derVerwesung . Er wusste alles über den Prozess der Verwesung.
Und jetzt beobachtete ihn Robertson. Nicht zum ersten Mal hatte Cooper das Gefühl, dass der Professor in der Lage war, seine Gedanken zu lesen.
»Aber was ist mit dem Geruch?«, fragte er.
Robertson wirkte zufrieden. Kurzzeitig glaubte Cooper, der Professor würde ihm jeden Moment kameradschaftlich mit dem Ellbogen in die Rippen stoÃen.
»Die Hauptursache für die Geruchsentwicklung ist der Ãbergang von Schwarzfäule zu Buttergärung. Wer das riecht, wird so schnell keinen Schimmelkäse mehr essen wollen. Der Leichnam hat zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen auszutrocknen, und die exponierten Stellen fangen aufgrund der Gärung an zu schimmeln. Genau wie Käse, den man zu lange im Kühlschrank aufbewahrt.«
Cooper fiel ein, dass er zu Hause im Kühlschrank
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