Todesstatte
solchen Situation schon öfter verwenden hören. Er hatte noch nie gedacht, dass sie sehr viel aussagte. Und jetzt tat sie das auch nicht, als er sie selbst verwendete.
»Meine Frau hat mich gelehrt, dass es beim Sterben zwei Stadien zu durchschreiten gilt«, sagte Robertson. »Zuerst hat man Angst, sterben zu müssen. Und dann hat man Angst, nicht zu sterben. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wenn der Tod zu einer willkommenen Sache wird, zu einem Ereignis, das man sich mehr als alles andere auf der Welt herbeisehnt. Manche gelangen schneller an diesen Punkt als andere.«
Cooper begann, seinen Mantel zuzuknöpfen. Er wusste, wann es Zeit wurde zu gehen.
»Jeder Dritte«, sagte Robertson. »Warum sollten wir überrascht sein, wenn es uns oder unsere Liebsten trifft? Trotzdem stellen wir die Frage.«
»Und welche Frage ist das, Sir?«
»âºBei deinen funkelnden Augen, was willst du von mir,
Mann?â¹Â« Robertson lächelte traurig. »Wir rechnen nie damit, dass es uns trifft, nicht wahr?«
Cooper wusste nicht, was er sagen sollte. Inzwischen fühlte er sich äuÃerst unbehaglich und verspürte eine leichte Ãbelkeit. Er wusste nicht, ob es am Tee lag oder an all dem Gerede über Verwesung.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Professor«, sagte er. »Ich muss jetzt gehen.«
»Wie schade. Sie haben mir gar nicht erklärt, weshalb Sie sich für Sarkophage interessieren. Hat das etwas mit Ihren Ermittlungen zu den sterblichen Ãberresten zu tun, die bei Litton Foot gefunden wurden?«
»Nein, es ging in einer der Botschaften darum.«
Robertson kehrte ihm gerade den Rücken zu und schenkte sich noch etwas zu trinken ein. Doch Cooper sah, wie seine Schultern steif wurden und er den Kopf mit plötzlichem Interesse hob. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke in dem Spiegel über dem Fernseher. Cooper hatte wieder den Eindruck, getestet zu werden, als habe der Professor mehr Abgründe in ihm entdeckt, als er erwartet hatte.
»Botschaften?«
Robertson drehte sich um und hob das Whiskyglas an die Lippen, ohne zu trinken â ein alter Trick, um den Gesichtsausdruck zu verbergen oder die Aufmerksamkeit von den Augen abzulenken.
»Ich hätte sie vermutlich nicht erwähnen sollen«, sagte Cooper.
»Das klingt faszinierend. Erzählen Sie mehr.«
»Tut mir leid, Sir, aber das geht nicht. Es ist nicht wirklich relevant für meine derzeitigen Ermittlungen.«
»Oh, es geht um ein anderes Ermittlungsverfahren? Kann ich Ihnen dabei helfen?«
»Ich denke nicht, Professor. Vielen Dank.«
Robertson verlor zum ersten Mal seine Freundlichkeit. Er konnte sich das Glas nicht mehr länger an die Lippen halten, ohne einen Schluck zu trinken, sonst hätte es seltsam gewirkt. Er schluckte einen Fingerbreit Whisky und stellte das Glas ab. Cooper bemerkte ein verärgertes Funkeln in seinen Augen und seine nach unten gezogenen Mundwinkel.
»Tja, ich muss jetzt wirklich los«, sagte Cooper.
Robertson wirkte noch immer nachdenklich, als er ihn zur Tür und bis auf die Kieszufahrt begleitete.
»Sagen Sie, diese Fragen zu Alder Hall â hatten die etwas mit Ihren Botschaften zu tun? Und Verwesung. Warum haben Sie mich nach Verwesung gefragt?«
»Professor, es tut mir leid...«
»Sie waren nicht ganz ehrlich zu mir, habe ich recht?«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen alles erzählen, Professor, aber ich muss mich an bestimmte Beschränkungen halten.«
»Beschränkungen, ja«, erwiderte Robertson. »Wir müssen uns alle an Beschränkungen halten, nicht wahr?«
25
A uf dem Heimweg hielt Cooper beim alten Friedhof von Edendale an. Der Regen hatte aufgehört, aber ein kalter Wind wehte über die Wiese und zwängte sich durch die von gemauerten Grabstätten gesäumten Wege. Die Tore wurden nachts mit Vorhängeschlössern abgesperrt, doch in der dunkelsten Ecke des Friedhofs befanden sich Lücken im Zaun, wo die schmiedeeisernen Streben auseinandergebogen worden waren. Diesen Schaden hatte vermutlich jemand angerichtet, der sich den Weg nach innen gebahnt hatte, und nicht umgekehrt. Das hoffte Cooper zumindest.
Es war Viertel vor sieben, und so blieb noch eine halbe Stunde Zeit, bis der Friedhof schloss. Doch Cooper sah auf dem Gelände niemanden auÃer einer Frau, die einen Cockerspaniel an der Leine spazieren führte. Der Wind wehte
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