Todesstatte
Zeitraum geben, in dem die Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens die alleinige Verantwortung für den Sarg haben, und zwar auf dem Weg von der Kirche zum Krematorium.«
»Wo sie die Gelegenheit hätten, den Leichnam auszutauschen?«
»Genau.«
»Was ist mit Audrey Steeles Bestattung? Hat der Gottesdienst in der Krematoriumskapelle stattgefunden?«
Cooper dachte an seine Unterhaltung mit Vivien Gill zurück. »Ich kann mich nicht erinnern, dass ihre Mutter das erwähnt hat. Und ich bin nicht auf die Idee gekommen, sie danach zu fragen.«
»Dann solltest du sie lieber mal fragen.«
»Müsste das denn nicht in den Unterlagen stehen, die wir von Hudson und Slack mitgenommen haben?«
Fry sah ihn an. »Du solltest sie lieber trotzdem fragen.«
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Die Hudsons hatten einen Marmorkamin, aber kein Feuer. Sie hatten Messing-Kerzenständer ohne Kerzen. Und sie hatten Kiefernholz-Bücherregale, doch zwischen den Elfenbein-Briefbeschwerern und den Porzellanvasen standen nur wenige echte Bücher.
Das Haus erinnerte Cooper an eine Wohnung in North London, die er einmal besucht hatte. Sie hatte dem Freund eines Freundes gehört, der in der Hotelbranche arbeitete. Nachdem er sie betreten hatte, hatte er mit offenem Mund über die GröÃe der Küche gestaunt. Sie war winzig gewesen â sogar noch kleiner als das Bad. Groà genug, um darin Kaffee zu kochen und einen Toast zu machen, vielleicht, oder um etwas in der Mikrowelle zu erhitzen. Aber viel zu klein, um eine ordentliche Mahlzeit zuzubereiten. Für Cooper war es gar keine Küche gewesen, sondern irgendein anderer Raum, für den sich noch niemand einen Namen hatte einfallen lassen.
Barbara Hudson war mit Jeans und Sweatshirt bekleidet, trug ihr Haar offen und hätte kaum weniger wie eine Bestattungsunternehmerin aussehen können.
»Brauchen Sie mich?«, erkundigte sie sich. »Wenn nicht, hätte ich nämlich einiges zu erledigen.«
»Wir geben Ihnen Bescheid, Mrs. Hudson.«
Sie verschwand und lieà sie im Hausflur warten. Cooper fiel ein groÃer, kunstvoll verzierter Spiegel auf, der am Fuà der Treppe hing. Das war eine seltsame Stelle, weil man sich dort nicht ohne weiteres betrachten konnte. Er beugte sich vor, um sich die Kanten des Glases genauer anzusehen. Auf dem Spiegel befand sich kein einziger Fingerabdruck, kein einziger Schmierer oder Fleck. Entweder war er akribisch geputzt oder er war einfach nie benutzt worden. Er fragte sich, ob er zu den Spiegeln gehörte, die das Leben unbemerkt reflektierten wie eine Kamera ohne Motiv.
Als Cooper sich wieder aufrichtete, stand Melvyn Hudson in einer Türöffnung. Er bat sie mit einer geübten Geste der rechten Hand wortlos herein, als würde er sie einladen, einen Blick auf den Verstorbenen zu werfen. Bei ihm schien Freizeitkleidung keine Veränderung zu bewirken.
»Mr. Hudson«, sagte Fry, »wir haben uns mit Christopher Lloyd unterhalten, dem Leiter des Eden-Valley-Krematoriums. Sie kennen ihn?«
»Selbstverständlich. Na ja, das heiÃt geschäftlich.«
»Er hat uns erzählt, dass Ihr ehemaliger Partner Richard Slack ihn gebeten hat, etwas Illegales zu tun, er jedoch abgelehnt hat. Wissen Sie irgendetwas darüber?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung, was Lloyd meint. Aber Richard kannte ihn besser, als ich ihn kenne. Sie waren beide Mitglied im Rotary Club.«
»Die Sache muss sich, kurz bevor Mr. Slack bei dem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist, zugetragen haben.«
»Das war im Mai vergangenen Jahres.«
»Was genau ist bei dem Unfall passiert?«
»Er kam spät abends von der StraÃe ab, als er zu einem Abtransport unterwegs war. Es gab eine Untersuchung, also können Sie alles nachlesen, wenn Sie möchten.«
»War er damals allein?«
»Offensichtlich.«
Auf den ersten Blick wirkte Hudson gefasst und entspannt. Doch der Ausdruck in seinen Augen passte weder zu seiner Stimme noch zu seinem Benehmen. Den Blick zu kontrollieren, war schwieriger. Ben fragte sich, ob Fry es ebenfalls bemerkt hatte.
»Wo waren Sie zum fraglichen Zeitpunkt, Sir?«, fragte Fry.
»Hier zu Hause bei meiner Familie. Warum fragen Sie?«
Irgendwo im Haus ging eine Tür zu, und Hudson nutzte die Unterbrechung.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte er. »Das ist wahrscheinlich meine Tochter. Ich muss kurz mit ihr sprechen.«
»Er wird uns
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