Todesstatte
anlügen«, sagte Fry, nachdem Hudson den Raum verlassen hatte. »Genau wie Christopher Lloyd es getan hat. Aber er will ein bisschen Zeit gewinnen, um sich seine Geschichte zurechtzulegen.«
»Ja, ich weiÃ.«
»Bohr nach. Aber behutsam.«
»Du möchtest, dass ich es mache, Diane?«
»Bei dir wird er es eher akzeptieren.«
»Okay.«
Doch die Person, die durch die Tür kam, war nicht Melvyn Hudson. Eine dunkelhaarige Frau um die dreiÃig blieb auf der Schwelle stehen.
»Hallo. Dad hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass er gerade einen wichtigen Anruf bekommen hat. Er ist in ein paar Minuten zurück. Kann ich Ihnen irgendwas bringen, während Sie warten?«
»Nein, aber Sie können bleiben und sich mit uns unterhalten«, entgegnete Fry.
»Oh, ich weià nicht, ob Dad damit einverstanden wäre.«
»Entschuldigung, Ihr Name ist...?«
»Natalie.«
»Arbeiten Sie für Ihren Vater?«
»Nein, ich bin Aerobic-Trainerin.«
»Dann haben Sie also kein Interesse am Familienunternehmen, Miss Hudson?«
Natalie schauderte. »Ganz bestimmt nicht. Schon allein der Gedanke daran!«
»Und es gibt keinen Sohn, der in die FuÃstapfen Ihres Vaters treten könnte?«
Die Frau zögerte. Sie holte eine Schachtel Zigaretten hervor und zündete sich eine an, ohne zu fragen, ob es sie störe, oder ihnen eine anzubieten. Aber schlieÃlich war das ihr Zuhause. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Cooper bemerkte jedoch, dass ihre Finger leicht zitterten, als sie das Feuerzeug benutzte und den ersten Zug Nikotin in ihre Lunge saugte.
»Es gab mal einen Sohn«, sagte sie.
»Oh?«
»David. Mein jüngerer Bruder. Er wäre in Daddys FuÃstapfen getreten. Genau dazu wurde er geboren. Alles war durchgeplant.«
»Was ist passiert?«
»Er wurde getötet.«
»Meinen Sie damit, dass er umgebracht wurde oder dass er auf irgendeine andere Weise gestorben ist?«
»Er war im Ausland unterwegs, in Indonesien«, sagte Natalie. »Angeblich waren es Banditen. Ein missglückter Raubüberfall â so nennt man es hier, nicht wahr? Aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich auf Davids Tod zutrifft. Ich glaube, die hatten vor, ihn zu töten. Er war erst zweiundzwanzig.«
»Das tut mir leid.«
»Das Schlimmste daran war, dass er von allen Orten, an die er kam, Postkarten geschickt hat. David hat in Bildern gedacht, und er hat die Karten, die er verschickt hat, immer sorgfältig ausgesucht. Seine Postkarten haben lange gebraucht, bis sie aus den Ländern, die er besucht hat, hier angekommen sind. Noch Wochen nach Davids Tod kamen welche an. Das waren Postkarten von einem Toten. Anfangs fand ich das wunderbar, und ich habe geweint bei dem Gedanken, dass er noch immer mit mir kommuniziert. Es war, als wäre er noch immer irgendwo da drauÃen und würde an mich denken. Aber dann habe ich gebetet, dass keine mehr kommen. Ich glaube, das haben wir alle getan. Wir haben uns nach einem Ende gesehnt.«
»Wie lange ist das her?«
»Zehn Jahre und vier Monate. Dad war am Boden zerstört, als es passiert ist. Wir dachten lange Zeit, dass ihn der Verlust umbringen würde. Alle haben diese Formulierung benutzt: âºDer Verlust wird ihn umbringen.â¹ Eigentlich ironisch bei einem Mann, der sein ganzes Leben damit verbringt, mit der Trauer anderer Leute umzugehen. Der mit allen Wassern gewaschene Profi. Der Helfer, den man in der Stunde der Not ruft.«
Natalies Tonfall klang inzwischen verbittert. Als sie eine Wolke Zigarettenrauch ausatmete, verzerrte sich ihr Mund zu einem höhnischen Grinsen.
»In solchen Augenblicken kommt die Wahrheit ans Tageslicht, nicht wahr?«, sagte sie. »Dad hat keinen Hehl daraus gemacht, dass seiner Meinung nach das falsche Kind gestorben war.«
Natalie atmete noch mehr Rauch aus und beobachtete, wie er in einer trägen Wolke davontrieb, ehe sich diese im Luftzug am offenen Fenster auflöste.
»Haben Sie noch weitere Geschwister?«
»Nein.«
»Dann werden Sie vermutlich eines Tages die Geschäftsanteile Ihres Vaters erben.«
Natalie lachte. »Tatsächlich? Irgendwie kann ich mir das kaum vorstellen. Ich habe keine Ahnung, ob mein Vater ein Testament gemacht hat oder nicht und wem er seine Hälfte von Hudson und Slack hinterlassen will, wenn er mal stirbt. Wahrscheinlich wird meine Muter die Zügel
Weitere Kostenlose Bücher