Todesstatte
seine Nasenflügel sich aufblähten, während sein Gesichtsausdruck erstarrte. Er beugte sich ruckartig in seinem Stuhl nach vorn, als habe sie ihn mit einer spitzen Nadel gestochen.
Während er versuchte, gegen seine Empörung anzukämpfen, öffnete er eine Schublade und warf einen Schlüsselbund zwischen ihnen auf den Tisch. Fry berührte die Schlüssel nicht, sondern trennte sie mit der Spitze ihres Kugelschreibers voneinander, einen nach dem anderen. Robertsons Gesicht wurde tiefrot, als habe sie ihn tödlich beleidigt.
An dem Schlüsselbund befand sich kein Gerät wie jenes, das Liz Petty ihr gezeigt hatte, nichts, was aussah wie eine Garagentor-Fernbedienung, über ein winziges eingebautes Mikrofon verfügte und die Stimme eines Anrufers unkenntlich machte. Doch Fry wurde nicht völlig enttäuscht. Sie schob die Schlüssel zur Seite, sodass der Anhänger frei in der Mitte lag. Es handelte sich dabei um ein etwa fünf Zentimeter langes Stück Elfenbein, aus dem kunstvoll die Form eines menschlichen Skeletts herausgeschnitzt war. Der Schädel und die Rippen waren glatt und glänzten, wo jemandes Finger an ihnen gerieben hatten. Der Schlüsselanhänger würde im Dunkeln zwar nicht leuchten, doch für Fry strahlte er geradezu vor Bedeutung.
»Das ist nun wirklich merkwürdig«, sagte sie. »Auf Schritt und Tritt etwas mit sich herumzutragen, das einen an den Tod erinnert. Was gibt Ihnen das, Professor? Fühlen Sie sich auf diese Weise dem Tod näher? Verstehen Sie ihn dadurch besser?«
»Ich weià bereits über den Tod Bescheid«, fuhr Robertson sie an. »Ich weià alles über den Tod.«
»Ja, daran habe ich keinen Zweifel, Sir.«
Die Hand des Professors zitterte, als er einen Blick auf die Whiskyflasche im Regal warf. Doch bevor er nach ihr griff, starrte er Fry hasserfüllt an.
»Letztendlich, Sergeant, ergeht es mir wie allen anderen auch â es ist das Leben, das ich nicht verstehe.«
Â
Â
Nachdem Melvyn Hudson seine Schutzkleidung angezogen hatte, half ihm Vernon dabei, den Leichnam auf den Tisch aus rostfreiem Stahl zu hieven. Sie zogen ihm Hemd, Jeans, Unterwäsche und Schuhe aus, und Vernon stopfte alles in einen Müllsack. Sie entfernten die Uhr und die Brille und klebten den Ehering ab. Vernon reichte Hudson das Desinfektionsspray, der den Leichnam wusch und in der Leistengegend und in der Umgebung des Gesichts nach Ungezieferbefall Ausschau hielt. Er desinfizierte Mund und Nase mit Wattestäbchen und stellte etwas Flüssigkeit im Rachen fest.
»Hilf mir mal, ihn umzudrehen, Vernon«, sagte er.
»Was ist los?«
»Ein bisschen Ausfluss aus dem Magen. Vielleicht muss ich die Luftröhre und die Speiseröhre abbinden, wenn ich den Hals öffne.«
Hudson massierte die GliedmaÃen und streckte sie aus, sodass die Unterarme über die Tischkante hingen, damit Blut hineinlaufen und die GefäÃe ausdehnen konnte. Dann strich er die Innenseite der Finger mit einer dünnen Schicht Sekundenkleber ein und drückte sie aneinander. AnschlieÃend hob er den Kopf an und schob einen Klotz darunter, um ihn über Körperhöhe zu halten. Wenn Blut in den Kopf floss, konnte sich das Gewebe verfärben.
Nachdem Vernon den Eimer mit Bleichmittel gebracht hatte, wusch Hudson den Leichnam noch einmal ab, entfernte Schmutz unter den Fingernägeln und suchte nach Flecken an den Händen und im Gesicht. Er zog in Erwägung, auch an den Augen Sekundenkleber zu verwenden, legte jedoch stattdessen zwei Plastik-Augenkappen darauf und schloss die Lider, die von den kleinen Noppen auf den Kappen zugehalten wurden.
Er blickte zu Vernon auf. »Hat die Polizei heute mit dir gesprochen?«
»Jemand ist zu mir nach Hause gekommen. Detective Constable Cooper.«
»Hat er sich mit Abraham unterhalten?«
»Ja.«
»Worüber, Vernon?«
»Das weià ich nicht. Er war bereits im Haus, als ich heimgekommen bin.«
Das Gesicht sah etwas angespannt aus. Hudson massierte die Stirn und die Gegend um die Augen, um die toten Muskeln zu lockern, dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete das Resultat. Die oberen Augenlider mussten ungefähr nach zwei Dritteln des Weges von oben nach unten auf die unteren treffen, damit der Gesichtsausdruck des Toten friedlich wirkte. Wenn sie zu weit oben oder unten aufeinandertrafen, entstand der Eindruck, als litte
Weitere Kostenlose Bücher