Todesstatte
sie interessierte. Und seine Stimme. Vor allem seiner Stimme wollte sie lauschen.
»Thanatologie«, sagte sie, als er fertig war. »Was genau versteht man darunter?«
»Der Begriff geht auf Thanatos zurück, die Personifikation des Todes. In der griechischen Mythologie ist er der Sohn von Nyx, der Göttin der Nacht. Sein römisches Pendant ist Mors.«
»Oh? Inspektor Mors?«
»Nein, die lateinische Mors, die römische Todesgöttin, auf die Wörter wie Mortalität oder mortal zurückgehen.«
»Ich habe nur einen Scherz gemacht«, sagte Fry.
Robertson neigte den Kopf. »Verzeihen Sie, Sergeant, aber ich kann mit dem Humor anderer Menschen nicht immer etwas anfangen. Haben Sie vielleicht eine Anspielung auf eine bekannte Fernsehsendung gemacht?«
»Ja.«
»Solche Anspielungen gehen fast immer an mir vorüber, fürchte ich. Was die populäre Kultur betrifft, bin ich eher unbedarft.«
Er ging voraus ins Haus. Fry warf Cooper einen Blick zu. »Hat er sich gerade entschuldigt?«
»Ich glaube schon, Diane.«
»Warum kommt es mir dann so vor, als hätte er mich beleidigt?«
Die Atmosphäre im Arbeitszimmer des Professors war unterkühlt. Keine Getränke-Angebote, keine Höflichkeiten, keine Einladung, sich den bequemsten Platz auszusuchen. Fry zog einen Stuhl nahe an Robertsons Schreibtisch heran und stützte die Ellbogen auf der Tischplatte auf, womit sie den Professor zwang, sich zurückzulehnen, um nicht allzu angriffslustig zu wirken.
»Bei Ihren Gesprächen mit Detective Constable Cooper waren Sie in den letzten Tagen sehr hilfsbereit, Sir«, sagte sie.
»Ich bin erfreut, das zu hören. Ich gebe mein bescheidenes Bestes.«
Er warf Cooper einen Blick zu, und ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Doch Fry lieà nicht zu, dass seine Aufmerksamkeit abschweifte oder dass die Stimmung sich entspannte.
»Unter Umständen können Sie uns sogar noch mehr helfen, Sir.«
»Oh?«
»Wenn man die Fakten betrachtet, die wir bislang bei unseren Ermittlungen zusammengetragen haben, erscheint es ziemlich merkwürdig, dass Sie bei fast jedem Aspekt eine Antwort parat hatten.«
»Merkwürdig? Was ist daran merkwürdig? Das ist schlieÃlich mein Spezialgebiet, Sergeant. Es ist meine Aufgabe, bei Bedarf Antworten parat zu haben.«
Er versuchte, locker zu klingen, aber Fry merkte, dass sie ihn verärgert hatte.
»Ja, Sir. Ich finde es allerdings besonders interessant, dass es Ihnen mehrmals gelungen ist, Ihre Antwort parat zu haben, bevor Ihnen die entsprechende Frage gestellt wurde.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
»Der Sarkophag zum Beispiel. Der âºFleischverzehrerâ¹. Sie waren sehr darauf erpicht, uns alles darüber zu erzählen. So erpicht sogar, dass Sie es Detective Constable Cooper gegenüber erwähnt haben, bevor er überhaupt wusste, dass es relevant ist.«
Robertson versuchte erneut, ein verschwörerisches Lächeln mit Cooper zu tauschen, doch das funktionierte nicht. Cooper hielt sich ausnahmsweise einmal an die Instruktionen, die sie ihm gegeben hatte, und verhielt sich distanziert.
»Das Gleiche gilt für einige andere Anspielungen in den Botschaften«, sagte Fry.
»Ah, die Botschaften.«
Fry spürte Verwunderung und Erregung in sich aufwallen. »Sie geben zu, dass Sie von den Botschaften wissen?«
»Ich weià gar nichts über irgendwelche Botschaften«, erwiderte Robertson. »AuÃer dass Ihr Kollege Sie gestern mir gegenüber erwähnt hat.«
Und jetzt lächelte der Professor. Fry hörte Leder knirschen und merkte, wie Cooper unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Sie wusste also, dass es stimmte. Doch sie musste weiterbohren.
»Professor Robertson, ich glaube, Sie wussten bereits zuvor von den Anrufen, die wir im Lauf der vergangenen Woche erhalten haben. Ich glaube sogar, dass Sie mit ihrem genauen Wortlaut vertraut sind. Besitzen Sie ein Gerät, das als Stimmenwandler bezeichnet wird?«
»Sergeant, das ist wirklich eine Unverschämtheit. Als ich eingewilligt habe, der Polizei meine Zeit und Sachkenntnis zur Verfügung zu stellen, habe ich nicht damit gerechnet, so behandelt zu werden.«
»Dürfte ich bitte Ihre Autoschlüssel sehen, Sir?«
Diesmal hatte sie ins Schwarze getroffen. Fry sah, wie die Augen des Professors sich weiteten und
Weitere Kostenlose Bücher