Todesstatte
Insekten und Nagetieren Unterschlupf geboten. Durch das Bodenblech des Datsun wuchs blasses Farnkraut, und in seinen Radhäusern wucherten Nesseln, deren stachelige Blätter die platten Reifen umrankten. Nachdem der Sommer sich inzwischen seinem Ende zuneigte, begannen die Nesseln zu sterben wie alles andere auch.
Cooper spürte, wie die Feuchtigkeit seinen Hosensaum durchdrang, als er durch die Wiese stapfte. In der tief gelegenen Gegend von Litton Foot war es vermutlich auch dann feucht, wenn es nicht regnete. WeiÃe Baumschwämme sprossen überall dort, wo sie ein Stückchen Oberfläche gefunden hatten, die weich genug war, damit sie ihre Sporen setzen konnten. Sie wuchsen in mehreren Schichten auf der Gummidichtung am Deckel der ausrangierten Gefriertruhe und auf dem bröckelnden Isolierschaum hinter dem Armaturenbrett des Autos.
Er sah, dass auf der Koppel noch andere rostige Wracks herumstanden und weitere zwischen den Dornensträuchern versteckt waren, die um ein Gatter wuchsen, das zum Wald hinunterführte. Doch es war einfach zu nass, und Cooper war nicht neugierig genug, um auf Erkundung zu gehen.
Auf der Holzveranda, die hinten am Haus angebaut war, stand ein Mann in Jeans und dickem Pullover und beobachtete ihn. Cooper hoffte, dass er nicht allzu interessiert in den heruntergekommenen Datsun gelugt hatte. Der Gesichtsausdruck des Mannes glich dem eines Gebrauchtwagenverkäufers, der einen nahenden Kunden erspäht hat: raubtierhaft, aber dennoch bereit, seinen Charme spielen zu lassen. Cooper spürte, wie er taxiert wurde.
»Mr. Jarvis?«, rief er.
»Ja. Was kann ich für Sie tun?«
Bevor Cooper antwortete, näherte er sich noch ein Stück. Er musste aufpassen, wohin er trat, um nicht auf eines der verrosteten Metallteile zu steigen, die im Gras herumlagen.
Als er näher kam, sah er, dass die Veranda offenbar aus alten Balken errichtet worden war, die ursprünglich aus einer umgebauten Kapelle oder einem Klassenzimmer stammten. Bei den Brettern, auf denen Mr. Jarvis stand, handelte es sich um wuchtige Bohlen aus verwittertem Eichenholz voller Astlöcher und den Köpfen fünfzehn Zentimeter langer Nägel, die versenkt und überstrichen worden waren. Hier und da waren durch die Versiegelung noch Flecken schwarzer Farbe zu sehen. Die ganze Konstruktion musste mindestens eine Tonne wiegen â für Tom Jarvis kam offensichtlich kein modernes Kiefernholzdeck aus dem Baumarkt in Frage.
»Detective Constable Cooper, Sir. Kriminalpolizei Edendale.«
Cooper war eine Vielzahl von Reaktionen gewöhnt, wenn er sich vorstellte. Er war nur selten ein willkommener Besucher, auch bei denjenigen, die kürzlich Opfer eines Verbrechens geworden waren. AuÃerdem wurde er oft zur Zielscheibe ihrer Wut. Tom Jarvis zeigte sich jedoch weder überrascht noch besorgt, nur ein wenig enttäuscht, dass er doch keinen Käufer für den alten Datsun gefunden hatte.
»Wollen Sie was Bestimmtes?«, erkundigte er sich.
»Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Sir? Kein Grund zur Sorge â nur Routine.«
»Dann kommen Sie mal herauf.«
Die Veranda befand sich ziemlich weit über dem Boden, und Mr. Jarvis sah aus einer Höhe von knapp drei Metern zu ihm herunter. Cooper hätte zu ihm hinaufklettern können, doch er fürchtete, sich dabei lächerlich zu machen. Stattdessen ging er auf die andere Seite hinüber, von wo eine breite Holztreppe nach unten zu einem Pfad in den Wald führte.
Als er die Treppe hinaufging, hatte er das Gefühl, eine Bühne zu betreten, was er seit der Zeugnisverleihung nicht mehr getan hatte. Einen Augenblick lang fühlte Cooper sich genauso verwundbar wie damals, als er überzeugt gewesen war, dass er über die oberste Stufe stolpern und vor den Augen von achthundert Schülern und Eltern auf die Nase fallen würde.
»Wie gehtâs Ihnen, Mr. Jarvis?«, sagte er.
»Gut. Mir gehtâs gut.«
»Diese Veranda ist eine solide Arbeit, Sir. Haben Sie die selber gebaut?«
»Meine Söhne haben mir ein bisschen geholfen. Ich war früher Tischler, aber das war schon eine Herausforderung. Ich wollte etwas haben, das auch hält, nicht irgend so einen Schrott, der beim ersten Sturm umfällt.«
»Das wird mit dieser hier bestimmt nicht passieren.«
Jarvis trat nachdenklich gegen einen Pfosten. Sein Stiefel prallte mit einem dumpfen Geräusch dagegen.
Weitere Kostenlose Bücher