Todessymphonie (German Edition)
es, wenn sie Glück hätte, die Abdrücke ins System eingäbe und morgen schon einen Treffer hätte. Die Fingerabdrücke des Opfers waren ebenfalls genommen worden und würden in die iAFIS-Datenbank eingegeben werden. Die integrierte automatische Fingerabdruckerkennung war gut und schnell und würde ihnen innerhalb weniger Minuten eine Antwort geben, wenn ein Treffer gefunden wurde.
Taylor ging zum gläsernen Couchtisch. Nichts Ungewöhnliches – Glasuntersetzer, ein überformatiges Kunstbuch über Spanien und ein C atalogue raisonné über Picassos Lebenswerk. Sie benutzte die Spitze ihres Stiftes, um das Buch zu sich herumzudrehen. Baldwin hatte erwähnt, dass an den Tatorten von Il Macellaio Postkarten der Gemälde hinterlassen worden waren, die der Mörder imitiert hatte. Nun, diese Monografie über Picassos Arbeit war keine Postkarte, aber vielleicht ein guter Ersatz. Für alle Fälle tütete sie das Buch ein.
Trotz der Verwirrung bei ihrer Ankunft war Taylor sicher, dass der Tatort gut untersucht wurde und ihnen nichts entgangen war. Sie blieb vor der verstümmelten Säule stehen, die jetzt aussah wie ein frisch abgesägter Mangrovenstamm. Sie drehte sich einmal im Kreis, ging dann zur Tür, schloss sie hinter sich und versiegelte den Tatort.
Dann trat sie auf die Veranda. Simari war gerade mit einem tief und fest auf der Rückbank schlafenden Max weggefahren. Einfach Renn hatte sich auch schon verabschiedet, genau wie der Rest der Spurensicherung. Allein der besetzte Wagen eines Streifenbeamten, der dafür Sorge tragen würde, dass der Tatort nachts nicht von irgendwelchen Kids oder Vandalen heimgesucht würde, und ein Übertragungswagen von Channel Four standen noch vor dem Haus. Von Letzterem war Taylor genervt. Konnten sie ihren Beitrag nicht in ihrem kleinen Schlösschen auf dem Knob Hill zusammenschneiden? Als wenn sie ihre Gedanken gehört hätten, heulte der Motor auf und der Van fuhr in die Dunkelheit.
Und dann war natürlich noch Baldwin da. Er schlief seelenruhig auf dem Beifahrersitz ihres Zivilfahrzeugs. Armer Mann, er war so müde, dass er sogar in ihrem Auto schlafen konnte. Sie musste ihn dringend nach Hause bringen.
Es war eine angenehme Nacht. Ein angenehmer Morgen. Wie auch immer man diese schummrigen Stunden vor der Morgendämmerung nennen wollte, den tiefsten Teil der Nacht. Die Wälder waren lebendig, Grillen und Zikaden kämpften darum, gehört zu werden, die Schwärze der Nacht hatte beinahe etwas Sinnliches. Eine angenehme Ruhe hatte sich über Love Circle gelegt. Das Chaos war durch die Gelassenheit der Natur ersetzt worden.
Taylor nahm einen tiefen Atemzug und spürte etwas von dieser Ruhe in ihre Schultern sinken. Es waren die Beweise, die sie nicht gefunden hatten, die sie nervös machten. Ein Messerstich durchs Herz sollte eine blutige Angelegenheit sein. Taylor hatte kurz mit Sam telefoniert, die versprochen hatte, die Autopsie persönlich gleich als Erstes am Morgen vorzunehmen. Taylor wollte zuschauen, und sie wollte auch, dass McKenzie sie begleitete. Als sie es ihm erzählt hatte, war er blass geworden, hatte dann aber genickt und versprochen, da zu sein. Das wäre ihre erste gemeinsame Autopsie, und Taylor wusste nicht, was sie von ihm zu erwarten hatte.
Wie auch immer, es war an der Zeit, nach Hause zu gehen. Sie unterdrückte ein Gähnen, winkte der Streife zu und stieg in ihr Auto. Baldwin wachte auf und lächelte sie schläfrig an.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, flüsterte sie und beugte sich vor, um ihm einen Kuss zu geben. Er erwiderte den Kuss mit ungeahntem Hunger, und es bedurfte größter Anstrengung, nicht die Arme um ihn zu schlingen und auf den Rücksitz zu krabbeln. Mit einem leisen Lachen löste sie sich von ihm. Es war einfach zu lange her.
„Lass uns nach Hause fahren.“
„Ich finde, das klingt wundervoll.“ Als er ihre Hand nahm, war sie überrascht über den Kreis, der sich heute Nacht schloss. Von der ersten Liebe zur wahren Liebe auf dem Love Hill. Kein schlechter Lebensweg.
Sie fuhr einhändig den Hügel hinunter, lauschte dem Knistern des Sprechfunks: „10-83, Schüsse abgegeben, ich wiederhole, 10-83, 490 Second Avenue, Club Twilight. Officers, bitte melden Sie sich.“
Schüsse auf der Second Avenue gehörten schon beinahe zum täglichen Standard. Darum konnte sich jemand anderes kümmern. Die B-Schicht der Mordkommission war für diese nächtlichen Einsätze zuständig. Sie musste es nur nach Hause schaffen. Sie
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